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Kann denn billig besser sein?
Neue Wege in der bauakustischen Messtechnik

Im Rahmen eines noch laufenden Forschungsprojekts zur Untersuchung des akustischen Verhaltens von Brettsperrholz mit Vorsatzschalen soll auch ein alternatives, kostengünstiges Mess-System für Schwingungsmessungen entwickelt werden. Vergleichsmessungen sollen dessen Brauchbarkeit für die spezifische Messaufgabe – Messung der Beschleunigungspegel zur Ermittlung der Resonanzfrequenz der Bauteile – belegen.

ForschungSchallschutz & AkustikMessung & Monitoring

Zum Nachweis der schalltechnischen Qualität von Wand- und Deckenbauteilen gibt es mittlerweile eine Vielzahl von (Berechnungs-) Methoden. Während jene für Massivbauteile recht ausgereift sind und seit Jahren erfolgreich praktiziert werden, sind die Alternativen für die Bestimmung der schall- und schwingungstechnischen Eigenschaften für leichte und mittelschwere Bauteile nach wie vor nur für Spezialisten und im Alltag nicht einsetzbar. Dies liegt nicht nur an der Komplexität und Vielschichtigkeit dieser Bauteiltypen, sondern auch an der Vielzahl von Materialkombinationen sowie der besonderen Innovationsfreude dieser Branchen.

Für die Hersteller und Anwender bleibt daher oft nur der Gang zum Prüfinstitut, um eine Messung in Auftrag zu geben, da schalltechnische Bewertungen von Bauteilen nur schwer möglich oder mit hoher Unsicherheit behaftet sind. Genau diese Messungen sind jedoch teuer und aufwändig, was u.a. an der teuren Messtechnik liegt, die von der Prüfeinrichtung dafür beschafft und gewartet werden muss.

Im Rahmen eines Forschungsprojektes im Auftrag von Stora Enso Wood Products Austria GmbH, in dem das schwingungstechnische Verhalten von Brettsperrholz (CLT – Cross Laminated Timber) in Kombination mit Vorsatzschalen untersucht wird und wozu uns der Auftraggeber auch freundlicherweise seine (teure) Messtechnik zur Verfügung stellt, soll nebenbei auch der Frage, ob es nicht auch ein bisschen billiger geht, nachgegangen werden.
Konkret soll in diesem Projekt u.a. untersucht werden, ob mikro-elektro-mechanische (MEM) Beschleunigungsaufnehmer für die Anwendung in der Bauakustik ausreichend genaue Ergebnisse liefern und das Potenzial haben, die um den Faktor 200 teureren, standardisiert in der bauakustischen Messtechnik eingesetzten und seit Jahrzehnten bewährten piezoelektrischen Accelerometer, zumindest für spezifische Anwendungen, zu ersetzen.

Umsetzung

Dazu werden geeignete elektronische Bauteile (MEM Beschleunigungsaufnehmer) über einen einfachen Einplatinencomputer in Kreditkartengröße (Raspberry Pi) zusammengeschaltet. Die 3 achsigen Beschleunigungsaufnehmer weisen einen Arbeitsbereich bis zu +/-16g und einen Frequenzbereich von bis zu 1,6 kHz auf. Erfahrungsgemäß werden brauchbare Daten bis 2 kHz ausgeworfen. In Erwartung von (im Rahmen des gegenständlichen Projekts) zu messenden Resonanzfrequenzen von um die 100 Hz erscheinen diese Aufnehmer mehr als geeignet. Einen besonderen Vorteil bietet der diesem elektronischen Bauteil integrierte AD-Wandler (analog to digital converter), der keine aufwändigen, nachfolgenden Schaltungen erfordert. Der Raspberry Pi übernimmt nicht nur die Steuerung einer Vielzahl von Aufnehmern, sondern auch die Berechnung, Auswertung, Speicherung und die Darstellung der Ergebnisse. Die Daten selbst werden am Raspberry Pi in eine Influx Datenbank gespeichert. Weiters steht am Rasp-berry Pi ein Webserver zur Verfügung, über welchen die gemessenen und berechneten Daten dargestellt werden können. Generell wird auf keine Standardprogramme wie etwa Matlab oder damit verlinkte Bibliotheken zurückgegriffen, sondern die Steuerung ausschließlich selbst programmiert bzw. offenen Bibliotheken entnommen.
Gemessen wird ein durch ein weißes Rauschen (ein standardisiertes Signal mit einem konstanten Leistungsdichtespektrum im untersuchten Frequenzbereich) von einem Shaker (Körperschallanreger) in eine Konstruktion induziertes Signal. Das Ergebnis ist ein zeitabhängiges Signal, das noch keinen Aufschluss über das Frequenzverhalten des Wand- oder Deckenbauteils gibt, weshalb es mittels FFT (Fast Fourier-Transformation) in das Frequenzspektrum umgewandelt werden muss. Nach Fourier kann jedes beliebige periodische Signal mit einer Reihe von harmonischen (Sinus- und Kosinus-)Funktionen mit bestimmten Frequenzen ausgedrückt (approximiert) werden. Gemäß Nyquist-Shannon Samplingtheorem, muss ein zeitlich kontinuierliches, Bandbreiten begrenztes Signal mit einer Maximalfrequenz fmax mit der Samplingfrequenz von mindestens 2fmax abgetastet werden, damit es vollständig rekonstruierbar ist. Dies stellt natürlich hohe Anforderungen an die beteiligten Bauteile und den steuernden Raspberry Pi, für die er erst mit einigen Kunstgriffen ertüchtigt werden musste.
Vor allem die rasch und präzise zu taktende Kommunikation zwischen dem Einplatinencomputer und dem Aufnehmer stellt, ebenso wie die Zwischenspeicherung der Messdaten, eine große Herausforderung dar, weshalb diese Aufgaben von zwischengeschalteten Mikrokontrollern übernommen werden. Der Raspberry Pi führt dann im Rahmen des post-processings die FFT Analyse und Ergebnisdarstellung durch. Ein Funktionsschaltbild in Abbildung 1 weist beispielhaft 3 MEM Beschleunigungsaufnehmer aus, wobei beliebig viele Aufnehmer möglich sind und vom System gleichzeitig verarbeitet werden können. Ein besonderes Asset stellt die in der Anwendung sehr vorteilhafte Kommunikation unter den Komponenten mittels WLAN dar, was die Applikation von sperrigen Kabeln an sehr kleinen und leichten Bauteilen erspart.

Programmierung und Elektronik

Das Programm am Raspberry zur Aufnahme und Auswertung der Messdaten wurde in C++ geschrieben und kann daher in eine einzelne ausführbare Datei kompiliert werden. Die Kommunikation zu den Mikrocontrollern wird mittels einfacher TCP Sockets aufgebaut. Da diese an einzelne Threads übergeben werden, erfolgt die Kommunikation parallel. Das Messungs-Start-Signal, welches vom Raspberry ausgesendet wird, ist als UDP Broadcast realisiert, um einen annähernd gleichzeitigen Start der Messung zu erreichen.
Um Messfehler und Störungen zu verringern, werden mehrere Messreihen aufgenommen. Von jeder Messreihe wird ein Betrags-Spektrum erstellt, welche dann gemittelt und in der Influx Datenbank gespeichert werden. Anschließend werden die Daten in einem aufwändigen Prozess visualisiert, was die Ergebnissse komfortabel ablesbar macht.

Funktionsprüfung

Erste Vergleichsmessungen zwischen dem selbst entwickelten System und dem professionellen Gerät wurden im Büro an Tischlautsprechern, angeregt mit einer definierten Frequenz (300, 500 und 800 Hz) durchgeführt und überzeugten, nach der Korrektur von Steuerungsfehlern, die kleinere Frequenzverschiebungen zur Folge hatten, mit recht präzisen Ergebnissen.
Daher wurden in weiterer Folge zwei Versuchsreihen am Prüfstand in der Werkstatt durchgeführt. Das Prüfobjekt bestand dabei aus einer Brettsperrholzplatte mit den Abmessungen 2000 x 1250 mm mit über Direktabhänger und Holzlatten an der Platte befestigter Gipsbauplatte (freundlicher weise von der Fa. Knauf zur Verfügung gestellt) – ein klassischer Aufbau einer Vorsatzschale (Abbildung 2 links). Die beiden Aufnehmertypen (MEM und Piezo) wurden nun unmittelbar nebeneinander platziert (Abbildung 2 rechts) und die CLT-Platte mit weißem Rauschen angeregt. Weitere Messungen folgten, bei denen die Beschleunigungsaufnehmer sowohl auf der CLT-Platte, als auch auf der Gipsbauplatte befestigt wurden.

Der Auszug aus den Ergebnissen in Abbildung 3 zeigt die Beschleunigungen (a), angegeben in m/s², und die bereits durch die FFT Analyse erhaltenen Frequenzspektren.

Die beiden Frequenzspektren der beiden Beschleunigungsaufnehmer-Typen zeigen eine gute Übereinstimmung, auch im tiefen Frequenzbereich, der im gegenständlichen Projekt von besonderem Interesse ist. Da diese Vergleichspräzision noch nicht bei jedem Aufnehmer und bei jeder Messung geliefert wird, muss hier noch eine weitere Prüfung des Systems stattfinden. Darüber hinaus führt offensichtlich eine höhere Mittelungszahl zu präziseren Ergebnissen, was jedoch auch die Signal-Verarbeitungsdauer um einige Sekunden erhöht.

Resümee

Ein Ersatz von piezoelektrischen durch MEM-Beschleunigungsaufnehmern in der Baukustik erscheint möglich. Eine Herausforderung stellt (noch) die enorme Bandbreite dar, da die Abtastrate mindestens doppelt so groß wie die höchste zu messende Frequenz sein muss.
Die durchgeführten Vergleichsmessungen im Frequenzband von 0–1 kHz zeigen ermutigende Ergebnisse der beiden Aufnehmertypen und damit verbundenen Mess-Systemen und belegen die Eignung der MEM-Aufnehmer auch für bauakustische Anwendungen. Zu klären bleibt noch die Tatsache, dass bei weitgehend identem Frequenzspektrum die Amplituden der Ergebnisse der beiden Aufnehmertypen stark divergieren, sowie die Sicherstellung einer gleichbleibenden Aufnahmequalität durch die Accelerometer.
Im Besonderen ist die Ermittlung der Resonanzfrequenz eines mehrschaligen Bauteils mit dem digitalen System gut möglich, da hier nicht der Absolutwert der Amplitude relevant ist, sondern die Position des Ausschlags im Frequenzspektrum. Darüber hinaus erscheint auch die Anwendung zur Messung von Stoßstellen zielführend. Einerseits, da dieses Verfahren richtungsgemittelte Schnellepegeldifferenzen vorsieht, also nur Differenzen ermittelt werden, und andererseits, da der Einzahlwert des Stoßstellendämm-Maßes Kij gemäß EN ISO 10848-1 aus dem arithmetischen Mittel der Pegel der Terzbandmittenfrequenzen von 200 bis
1250 Hz errechnet wird, was weit unter der vom Hersteller angegebenen Maximalfrequenz des Bauteils liegt. Aufgrund der geringen Kosten ist eine hohe Auflösung bei der Abtastung durch eine Vielzahl von Aufnehmern problemlos herstellbar, was wiederum die Genauigkeit der Messergebnisse erhöht und auch die erforderliche Messdauer auf Baustellen reduzieren kann.

Literatur

EN ISO 10848-1:2017 Laboratory and field measurement of flanking transmission for airborne, impact and building service equipment sound between adjoining rooms – Part 1: Frame document

© Stora Enso Wood Products Austria
Abb. 1: Prinzipschaltbild des Schwingungsmess-Systems mit 3 Beschleunigungsaufnehmern
Abb. 2: Versuchsaufbau an CLT mit Vorsatzschale und Shaker für die Körperschallanregung (links) und Aufnehmerpaare an den Messpunkten 1 und 2 (rechts)
Abb. 3: Vergleich der Ergebnisse der unterschiedlichen Mess-Systeme mit MEM- (oben) bzw. piezoelektrischem (unten) Beschleunigungsaufnehmer im Frequenzband von 0 bis 1 kHz.