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Die Sichtbarkeit der Gebäudeökologie
IMPLEMENT_OI3_BG3_BZF

Nachhaltiges, zukunftsfähiges Bauen setzt einen bewussten Umgang mit Bauprodukten voraus, da bekanntlich gerade das Bauwesen sehr viele Ressourcen beansprucht. Zusätzlich verschlechtert der Energiebedarf für Heizen und Warmwasserbereitstellung die Auswirkungen auf die Umwelt. Mit der standardisierten Methode der Ökobilanz lässt sich die Tragweite gut abbilden, die ökologischen Zusammenhänge werden sichtbar und Nachhaltigkeitsentscheidungen lassen sich sicherer treffen. Jedoch sind Programme zur Erstellung von Ökobilanzen sehr spezifizisch und für Planende oft zu kompliziert und unüberschaubar.

Gebäudebewertung

Mit dem Projekt IMPLEMENT_OI3_BG3_BZF ist es den vier österreichischen Bauphysik-Softwareherstellern, Archiphysik, AX3000, Ecotech und GEQ, in den letzten Monaten gelungen, auch Planenden und BauphysikerInnen die Nachhaltigkeit eines Gebäudes einfach und sichtbar näher zu bringen. Sie haben die mit einer zusätzlichen Lebenszyklusphase erweiterte Berechnungsmethode des Oekoindex 3 (OI3) in ihren Energieausweisprogrammen implementiert, ganz im Sinne von umsetzen, realisieren oder verwirklichen. Geleitet wurde dieses vom Dachverband Steine und Keramik geförderte Projekt durch das IBO in Kooperation mit der Bauprodukt-Datenbank baubook.

Der Name IMPLEMENT_OI3_BG3_BZF

Die eher kryptische Bezeichnung dieses Projektes lässt sich aus der Entwicklung der Berechnungsmethode des Oekoindizes heraus leicht erklären.
Der bereits 2003 entwickelte OI3 ermöglicht eine vereinfachte quantitative Bewertungsmethode für Baustoffe, Konstruktionen und Gebäude auf Basis von Ökokennzahlen und Ökobilanzen. Das Ziel dieser Berechnung ist es, Bewusstsein für ökologische Zusammenhänge zu schaffen und damit bereits in der Planung Umweltauswirkungen von Gebäudeherstellung und –instandhaltung zu reduzieren.
Für die quantitative Beschreibung der Umweltauswirkungen werden drei aussagekräftige Indikatoren erfasst, nämlich die Ökokennzahlen des Treibhauspotenzials, des Versauerungspotenzials und der Bedarf an nicht-erneuerbarer Primärenergie. Denn als Einzahlangabe trifft der Oekoindex 3 eine quantitative Aussage für das Potenzial das Klima zu erwärmen, die Umwelt zu ver-
sauern und nicht-erneuerbare Energieressourcen zu verbrauchen.
Je höher die Punktezahl, umso gravierender wirkt sich die Konstruktion oder das Gebäude auf die Umwelt aus.
Um den Umwelteinfluss von Gebäuden bewerten zu können, sollten grundsätzlich alle Bauteile und Komponenten eines Gebäudes berücksichtigt werden. Doch dafür müssten sämtliche Bestandteile erfasst werden, was zu einem unverhältnismäßig hohen Berechnungsaufwand führen kann. Deswegen bedient man sich eines flexiblen Bilanzgrenzen-Konzepts. Mit der Bilanzgrenze ist festgelegt, welche Bauteile bzw. Bauteilschichten berücksichtigt und ob Nutzungsdauern von Konstruktionen miteinbezogen werden müssen.

Das einfachste Modell ist BG0, bei dem lediglich die thermische Gebäudehülle (bis zur Dämmebene) und die Zwischendecken berechnet werden, während die BG1 diese Konstruktionen komplett berücksichtigt. Bei der BG3 wird über diese thermisch relevanten Gebäudeteile hinausgegangen und die nicht konditionierten Nebenflächen mit einbezogen. Die weiteren Bilanzgrenzen decken das Objekt immer detaillierter ab, bis hin zur BG6, wo über das Gebäude hinaus die gesamte Erschließung und die Nebengebäude am Grundstück bilanziert werden. Aufgrund des steigenden Aufwandes für die Erfassung wird derzeit in Österreich nur der Oekoindex mit den Bilanzgrenzen BG0, BG1 und BG3 verwendet.
Mit der Betrachtung unterschiedlicher Lebensphasen kann noch genauer gerechnet werden. Während bei den Bilanzgrenzen BG0 und BG1 nur der Aufwand der Ersterrichtung bilanziert wird (Phasen A1-A3 gemäß ÖN EN 15804), muss bei der BG3 die Nutzungsdauer für die Bauteilschichten hinterlegt werden (Phasen B1-B4). Dabei wird nicht nur die Ersterrichtung in Betracht gezogen, sondern die damit verbundenen erforderlichen Sanierungs- und Instandhaltungszyklen der Bauteilschichten im Laufe der Gesamtlebensdauer eines Gebäudes.
Damit ersichtlich ist, was in der OI3-Berechnung berücksichtigt wird, werden die Angaben nach einer strengen Nomenklatur vergeben. Zuerst soll die Bilanzgrenze, dann die Bezugnahme hinzugefügt werden. Denn OI3-Gebäudeindikatoren können auf die konditionierte Bruttogeschossfläche „BGF“, auf Bezugsfläche „BZF“ (entspricht der BGF sowie der halben Grundfläche von unkonditionierten Nebenflächen) oder auf die charakteristische Länge lc bezogen werden.

Bis jetzt waren die detaillierten Berechnungen in den erweiterten Bilanzgrenzen für Konstruktionen und Gebäude nur mit der Online-Software eco2soft auf der Internetdatenbank baubook (http://www.baubook.info/eco2soft/), und das bereits seit Jahren, möglich. Ab sofort kann die Berechnung des OI3_BG3 auch über die vier genannten Bauphysik-Softwareprogramme durchgeführt werden. Eine Gebäudebilanzierung kann so fast automatisch und mit einem sehr geringen Mehraufwand gleichzeitig mit den Energieausweisberechnungen erstellt werden.
Die dahinterliegenden, vom IBO laufend aktualisierten Richtwerte- und Baustofftabellen, werden den Softwareherstellern und baubook kostenlos zur Verfügung gestellt. Ein regelmäßiges Update der Ökokennwerte von Baustoffen und Konstruktionen ist bei diesen Programmen somit garantiert.
Detaillierte Informationen zu den verschiedenen OI3-Indikatoren sowie genaue Berechnungsvorschriften werden im aktuellen OI3-Berechnungsleitfaden, Version 4.0, dargestellt (kostenlos downloadbar auf www.ibo.at oder www.baubook.at/oekoindex/).

Der OI3-Ausweis – sichtbare Nachhaltigkeit

Die Programmhersteller haben mit diesem Projekt auch eine einheitliche Darstellung der Ergebnisse implementiert. Die Kenndaten für das gesamte Gebäude, die Konstruktionen bis hin zu den Bauteilschichten werden in Form eines OI3-Ausweises übersichtlich angezeigt. So lassen sich die „ökologischen Schwergewichte“ einfach erkennen, eine ökologische Optimierung des Gebäudes kann schnell und gezielt durchgeführt werden.

OI3_BG 3 für mehr Klimaschutz

In den letzten Jahren hat der OI3 in vielfältigen Ausprägungen in unterschiedlichen Wohnbauförderungen Österreichs Einzug gehalten. Sechs Bundesländer (Kärnten, Niederösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol und Vorarlberg) verwenden den Oekoindex in den Bilanzgrenzen BG0 oder BG1 als Nachweis der Nachhaltigkeit. Das Projekt IMPLEMENT_OI3_BG3_BZF ermöglicht die ökologische Betrachtung in zusätzlichen Lebenszyklusphasen, der Nachhaltigkeitsausweis fördert dessen Sichtbarkeit. Und das mit geringem  Aufwand, parallel zur erforderlichen Energieausweisberechnung und im Rahmen des gewohnten Bauphysikprogramms. Einer Erweiterung der Förderungsmodelle auf der Bilanzgrenze BG3 sowie einer Verankerung der Ökobilanz im Baurecht stünde nichts mehr im Weg, es ist technisch leicht möglich. Schließlich erhält man bei der Bilanzgrenze BG3 eine genauere und realitätsnähere Gebäudebilanzierung. Gleichzeitig fließt durch die Bilanzierung der erforderlichen Sanierungs- und Instandhaltungszyklen das ökologische Konzept der Langlebigkeit der Bauprodukte und der Konstruktionen in die Bewertung ein, eine Mission, die die EU mit ihrer Initiative Closing the loop vehement verfolgt.
Sogar im übergeordneten Ziel des EU Klimafahrplans 2050 könnte das Projekt Implement_OI3_BG3_BZF einen Beitrag zur Transformation in eine kohlenstoffarme Gesellschaft vorantreiben. Die ersten Steine sind gelegt!

Forschungszeitraum

Juli 2019 –

Kontakt

Abb. 1: Bilanzgrenzen BG0 bis BG6
Abb. 2: Tabelle in Anlehnung an ÖN EN 15804
Abb. 3: OI3-Ausweis