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Schallmessungen – wie ein Standardfall zur Langzeitbeziehung wurde

Es war Ende November. Ein Monat mit kurzen Tagen und wenig Sonnenlicht, ein Monat der sich mehr nach Winter anfühlt als Spätherbst. Beim Eintreffen an der angegebenen Adresse einer im Bau befindlichen Wohnhausanlage war es wie erwartet bewölkt, die Temperatur unter 0 °C und der Wind in Kooperation mit der animos niedrigen Temperatur, kroch unangenehm durch alle thermisch und winddicht vernachlässigten Öffnungen und Ritzen. Eben ein typischer Baustellenbesuch zwecks Schallmessungen im Winter. Der Auftrag: Luft- und Trittschallmessungen gem. ÖNORM EN ISO 16283-1 bzw. -2.

BauphysikSchallschutz & Akustik

Die erste Messung

Ausgegangen wurde zu Beginn der Messungen von einer Abwicklung ohne besonderer Vorkommnisse bzw. jeglicher Erwartungen oder Vorahnungen – Standardmessungen eben. Die ersten Messungen gingen leicht von der Hand und es wurden auch ansehnliche Werte gemessen (DnT,w der Trennwand von 66 dB und L’nT,w der Wohnungstrenndecke von 39 dB, damit im Ökopass als ausgezeichnet bzw. gut bewertet). Aus heiterem Himmel, der jedoch eher dem bewölkten Himmel außerhalb des Wohngebäudes entsprach, eilte der Kollege mit bestürztem Gesichtsausdruck, wild gestikulierend aus dem Empfangsraum, während der Luftschallmessung einer Wohnungstrenndecke zwischen zwei Wohnzimmern, in den Senderaum, wo gerade das Dodekaeder (die Schallquelle bei Luftschallmessungen) mit voller Leistung das für ihn typische breitbandige Geräuschsignal bzw. Rauschen von sich gab. Durch hastige Bewegungen und Deutungen gab der Kollege zu verstehen, das Dodekaeder verstummen zu lassen. Seine folgenden Worte ließen einen kalten Schauer, der nur zu einem geringen Teil der niedrigen Temperatur geschuldet war, über den Rücken laufen: „Da stimmt was nicht, es ist zu laut! Ich glaube es liegt am Notkamin.“ Und tatsächlich, das Messergebnis wies beunruhigende 47 dB für die bewertete Standard-Schallpegeldifferenz DnT,w auf (die Mindestanforderung liegt bei ≥ 55 dB) – ein Grund die Bauleitung aufzusuchen.

Unruhe machte sich breit. Woran konnte das liegen? Es wurde doch gründlich gearbeitet! Es wurde alles richtig ausgeführt. Der Fertigteilkamin wurde nach der Montageanleitung errichtet und ringsum mit einem Trockenputz, der punktuell geklebt wurde, versehen. Die Hoffnung bestand, dass es sich bei der schauderhaften Messung um einen Einzelfall handelte. So wurde eine weitere derartige Messung in einer anderen Wohnung durchgeführt. Aber auch in diesem Fall wurde die Mindestanforderung an den Luftschallschutz bei gleicher Ausführung des Kamins nicht erreicht bzw. erfüllt. Nach der Messung wurden Überlegungen und Vermutungen angestellt, um der Sache auf den Grund zu gehen. Zunächst konnten jedoch keine explizite Ursache genannt und Indizien gefunden werden, da für eine genaue Analyse auch der Frequenzverlauf der Messung betrachtet werden musste. In Kollegenkreisen unter erfahrenen Gentlemen hieß es, dass ein Einbruch des Frequenzverlaufs in einem breitbandigen Frequenzbereich auf einen Spalt bzw. einer annähernd direkten Übertragung hindeutet, wohingegen ein Einbruch in einem schmalen Frequenzband auf eine „Anregung im Resonanzbereich“ hinweist.

Die erste Sanierung

Nach Auswertung der Messergebnisse und Überprüfung der Frequenzverläufe deuteten diese zu Beginn eher auf eine direkte Übertragung hin als auf einen Resonanzeffekt. Dieser Umstand wurde an den Auftraggeber kommuniziert, der daraufhin weitere Messungen wünschte. Zunächst wurden Räume gemessen, bei denen ein Kamin in anderer Weise ausgeführt wurde als die zuvor gemessenen und eine „Sanierungsvariante“, um eine aufwendige komplette Sanierung aller, in oben beschriebener Form ausgeführten Kamine, zu vermeiden. Somit kam es zu einer neuerlichen Messung im winterlichen Jänner, wobei die klimatischen Bedingungen im Gegensatz zu den ersten Messungen an Freundlichkeit nicht zugenommen hatten. Einer der Kamine war an den zwei seitlichen der drei raumseitigen Flächen verputzt und die Front mit vollflächig verklebtem Trockenputz ausgeführt worden. Die restliche Ausführung war nach Angaben der Bauleitung ident zu den anderen Kaminen. Siehe da, die Messung ergab eine DnT,w von 66 dB.

Die weniger aufwändige Sanierungsvariante bestand darin, dass der punktuell geklebte Trockenputz vollflächig ausgeschäumt wurde. Dadurch wurde eine DnT,w von 60 dB erreicht. Zusätzlich wurde an diesem Termin der Deckenanschluss einer der bei dem vorherigen Termin gemessenen „fehlerhaften“ Kamine freigelegt um eine etwaige direkte Übertragung ans Tageslicht zu befördern. Dem war jedoch nicht so. Es konnten keine Hinweise auf eine fehlerhafte Ausführung (zumindest im Deckenanschluss) gefunden werden. Die Auswertung des Frequenzverlaufs der Messung des Kamins in der verputzten Variante wies keinen erkennbaren Einbruch auf, weder in einem breiten, noch in einem bestimmten Frequenzband. Die sanierte Variante hingegen wies einen Einbruch von ca. 315 bis 1600 Hz auf, wodurch ein Resonanzeffekt nicht erklärt werden konnte.

Die Messergebnisse sprachen jedoch für sich, und so wurden einige Kamine mit der vollflächigen Schäumung saniert. Somit stand einem weiteren Messtermin bzw. Kontrolltermin und einem positiven Messergebnis im folgenden Wintermonat Ende Februar scheinbar nichts im Wege. Bedauerlicher Weise ergaben die Luftschallmessungen der nachgebesserten Kamine mit 46, 47 bzw. 52 dB keinesfalls die erwarteten Werte. Wie sich herausstellte, waren diese nicht vollflächig, sondern nur teilweise ausgeschäumt worden.

Als wären die bisherigen Messungen kein herber Rückschlag bezüglich der Erfüllung der Anforderungen an den Schallschutz gewesen, ergab eine neuerliche Kontrollmessung eines nachgebesserten Kamins Mitte März, eine DnT,w von lediglich 47 dB. Dieser wurde ebenfalls mit einem punktuell geklebten Trockenputz versehen und anschließend vollflächig ausgeschäumt. Obwohl diese Methode bei einer der Messungen zuvor funktioniert hatte, versagte sie hier. Dies legte die Vermutung nahe, dass bei der Messung im Jänner die Ausführung des Kamins in dem Senderaum (dieser war seitlich nur verspachtelt und an der Front mit Trockenputz der vollflächig geklebt war versehen, anstatt ringsum punktuell geklebt und ausgeschäumt) ausschlaggebender war als zuvor gedacht. Schierer Verzweiflung nahe, veranlasste die Bauleitung die Entfernung sämtlicher Beplankung bei einem Kamin (und dem in der darüber liegenden Wohnung), der bei dem ersten Messtermin mit 47 dB gemessen wurde und bei dem dritten Termin vermeintlich ausgebessert (nur teilweise ausgeschäumt) ebenfalls nur 47 dB aufwies. Eine neuerliche Messung ergab (Kamin, ohne Trockenputz und unverspachtelt) nun eine DnT,w von immerhin 58 dB.

Weitere Sanierungsideen

Vom Forschungsgeist gepackt wurden weitere Ausführungen bzw. Sanierungsvarianten erdacht, und so strich erneut eine Zeitspanne, von diesmal lediglich einer Woche, ins Land um diese Varianten messtechnisch in Angriff zu nehmen. Und so kam es zum fünften Messtermin. Bei dem Kamin der letzten Messung (Kamin ohne Trockenputz und unverspachtelt) wurde nun erneut ein Trockenputz, diesmal jedoch vollflächig geklebt, aufgebracht. Es wurde erwartet, dass durch die zusätzlich aufgebrachte Masse ohne Hohlräume ein höherer Schallschutz erreicht werden konnte. Aber anstelle der zuvor gemessenen 58 dB wies die Messung eine DnT,w von nur 55 dB auf. An diesem Termin wurden auch noch weitere Versionen der Kaminausführung gemessen. Eine dieser bestand darin, dass der punktuell geklebte und teilweise ausgeschäumte Trockenputz zusätzlich mit einer angeschraubten Hartfaserplatte ertüchtigt wurde. Die Messungen ergaben für diese Kaminvariante eine DnT,w von 59 bzw. 61 dB. Eine weitere Variante beinhaltete eine zusätzliche Vorsatzschale mit 5cm Mineralwolle zu dem punktuell geklebten und teilweise ausgeschäumten Trockenputz. Diese Variante ergab eine Luftschalldämmung von 67 dB. Da sich diese Variante als zu aufwändig als Sanierung für sämtliche Kamine erwies, und darüber hinaus mit einem zu hohen Wohnflächenverlust einherging, wurde die Variante mit der zusätzlichen Hartfaserplatte als Sanierungsmethode ausgewählt. Dies führte zu einer erneuten, der mittlerweile sechsten und zugleich vermeintlich letzten Messung auf dieser Baustelle.

Die sechste Messung

Mittlerweise war es bereits Anfang April geworden, erste Anzeichen des nahenden Frühlings waren an den milden Temperaturen zu spüren. Die Tage wurden wieder länger, die Sonne kam langsam öfters zum Vorschein und mit ihr auch der Lichtblick bezüglich des Endes der Messungen auf dieser Baustelle. Eine Messung stand uns jedoch noch bevor. Der Kamin, bei dem zuvor eine zusätzliche Vorsatzschale errichtet worden war, wurde wieder rückgebaut, und der am Kamin befindliche, punktuell verklebte und teilweise ausgeschäumte Trockenputz mit einer zusätzlichen vollflächig verklebten Hartfaserplatte ertüchtigt. Die Messung ergab eine DnT,w von 60 dB und lag dabei in einem Bereich wie die zuvor gemessenen Kamine, bei denen die Hartfaserplatte geschraubt wurde.

Mit dem letzten Messergebnis und dem Umstand, dass diese Sanierungsvariante bei allen Kaminen ausgeführt werden würde, wurde die Baustelle, die inzwischen weniger an eine Baustelle erinnerte als an eine fertig gestellte Wohnhausanlage, verlassen und insgeheim gehofft, von dieser Anlage in Zukunft keine weiteren, vor allem negativen Rückmeldungen bezüglich eines Schallproblems zu hören.

So wie bei den weiteren 148 Standardmessungen im letzten Jahr gelang es also auch bei dieser Wohnhausanlage den Schallschutz für die BewohnerInnen sicherzustellen, auch wenn es bei diesem Fall geradezu kriminalistischen Spürsinns und eines besonders langen Atems bedurfte.

Kontakt

Um Bauakustik-Messungen gemäß gem. ÖNORM EN ISO 16283-1 bzw. -2 durchführen zu können, benötigt man einen Dodekaeder – eine Schallquelle mit kugelförmiger Abstrahlcharakteristik.
© Isabella Dornigg