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Clay to stay – Lehmbau gewinnt an Aufmerksamkeit!

Seit im Jahr 2021 das Forschungsprojekt Clay to stay am IBO gestartet wurde, hat sich auf dem Gebiet des Lehmbaus einiges getan. Das Interesse an dem ideal für die Kreislaufführung geeigneten Baumaterial ist gewachsen, heuer haben im deutschsprachigen Raum (A, CH) bereits zwei Lehmbautagungen mit internationalen Expert:innen stattgefunden. Zusätzlich zu den bereits bestehenden formieren sich aktuell in einigen europäischen Ländern Institutionen, die den Lehmbau vorantreiben – in Form von Aus- und Weiterbildungen, Vernetzung und Forschung. Nicht zuletzt deshalb, weil die Nachfrage seitens der Bauherrenschaft zunimmt.

ForschungBehaglichkeitKreislauffähigkeitPublikation

Im Rahmen des Projektes Clay to stay wollten wir wissen, inwieweit der Lehmbau in der österreichischen Baubranche angewendet wird und haben dafür gemeinsam mit dem Projektpartner KMFA (KMU-Forschung Austria) sowohl qualitative Interviews mit Architekt:innen als auch quantitative Befragungen in der Sparte Gewerbe und Handwerk der WKO (1 und unter Planenden durchgeführt. Das Erfreuliche: alle, die Lehm schon einmal bei einem Bauvorhaben eingesetzt haben, würden ihn wieder einsetzen. Als größte Stärken und Vorteile des Baustoffes wurden dessen ökologische Nachhaltigkeit, die feuchtigkeitsregulierenden Eigenschaften und die gesundheitliche Unbedenklichkeit angeführt. Bei den Schwächen und Nachteilen dominierten das fehlende Wissen zu Lehm und dessen Anwendung, Aufwand und Kosten bei der Verarbeitung sowie die Unsicherheit bezüglich vorhandener Regelwerke. Vorrangig werden Lehmputz, Lehmplatten sowie Stampflehmwände eingesetzt, Lehmschüttungen und Stampflehmböden werden noch selten ausgeführt (Abb. 1).

Bei den planenden Unternehmen, die Lehmbaustoffe einsetzen, handelt es sich großteils um EPUs bzw. Betriebe mit max. 1–2 Mitarbeiter:innen (70 %), während der Anteil bei Unternehmen mit mehr als 25 Mitarbeiter:innen bei rund 25 % liegt. Das ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass größere Architekturbüros meist großvolumige Gebäude planen, wo Lehmbaustoffe nur punktuell eingesetzt werden. Mehr Lehm wird prinzipiell im EFH-Bau verwendet, wo kleinere Betriebe beauftragt werden.

Feuchteabsorptionsvermögen von Lehmplatten

Das Projekt Clay to stay hat sich unter anderem die Aufgabe gestellt, die Anwendung von Lehmbaustoffen – auch im Geschoßwohnungsbau – zu erhöhen. Um die Akzeptanz von Lehm zu erhöhen, ist es essentiell, die Vorzüge des Materials wissenschaftlich fundiert aufzuzeigen. Dafür wurde die Fähigkeit von Lehm, feuchteregulierend zu wirken und Schadstoffe aus der Raumluft aufzunehmen, untersucht. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf den komfortunterstützenden Eigenschaften und den positiven gesundheitlichen Effekten des Lehms.

Für die vergleichende Untersuchung wurden Lehmplatten und Gipskartonplatten (GK-Platten) herangezogen. GK-Platten, weil sie aktuell ein häufig eingesetzter Baustoff sind, an dessen Stelle auch Lehmplatten zum Einsatz kommen können. Um valide Daten zu erhalten und mögliche Einflussfaktoren auszuschließen, fanden die Untersuchungen in zwei völlig baugleichen Räumen der AEE INTEC in Gleisdorf (Abb. 2) statt. Die Prüfräume der Fassadenbox sind mit zahlreichen Sensoren und der Möglichkeit, unterschiedliche Heiz- und Kühlszenarien zu simulieren, ausgestattet. Einer der Räume wurde mit Lehmplatten, der andere mit GK-Platten ausgestattet (je eine Wand mit einer Fläche von ca. 11 m²) (Abb. 3). Im Vorfeld wurden praxisbezogene Alltagssituationen festgelegt, welche die Grundlage der Versuchsablaufplanung bildete. Für ein höchstes Maß an Reproduzierbarkeit erfolgte die programmtechnische Einbindung des Versuchsablaufs in die Anlagensteuerung.

In mehreren Versuchsreihen wurden anschließend in beide Räume kontrolliert Wärme, Feuchtigkeit und Luftschadstoffe eingebracht. Ziel der Messungen war, Aussagen über das Absorptionsvermögen von Lehm hinsichtlich Schadstoffen und Feuchtigkeit treffen zu können.

In einem Setting wurde bspw. die Auswirkung eines plötzlichen Feuchteeintrags in die Räume („Duschversuch“) untersucht. Es wurden je 300 ml Wasser in den Räumen verdampft, was zu einem Anstieg der relativen Luftfeuchte von 33 auf 65 % in beiden Räumen führte. Die Ergebnisse zeigen, dass die Aufnahmefähigkeit der GK-Wand im Vergleich zur Lehmplattenwand begrenzt ist (Abb. 4). Daraus kann abgeleitet werden, dass das Schimmelrisiko durch den Einsatz von Lehmputz bzw. -platten vor allem in Feucht-räumen reduziert werden kann.

Die ideale Luftfeuchtigkeit in Wohn- und Arbeitsräumen liegt bei 40 bis 60 %. Im Winter sinkt die Feuchtigkeit aufgrund der trockenen Außenluft und der hohen Temperaturen im Innenraum meist auf unter 40 %.(2 Lehm hat das Potential, Feuchtigkeit zu speichern und im Bedarfsfall an die Raumluft abzugeben. Thermisch-hygrische Versuche in der Fassadenbox zeigten, dass bei einer Temperaturerhöhung von 20° auf 30° C die Spitzen im unteren Feuchtebereich von den Lehmplatten abgefedert wurden und so die relative Luftfeuchtigkeit konstant über jener im Raum mit den GK-Platten lag.  

Schadstoffaufnahme von Lehmplatten

Zur Untersuchung der Fähigkeit, Schadstoffe zu binden, wurden in beide Räume kontrolliert Schadstoffe(3 eingebracht. Messungen der Schadstoffkonzentration fanden jeweils vor (1) und nach Einbau (2) der Platten, unmittelbar nach Einbringung der Schadstoffe (3) sowie drei Stunden (4), sechs Stunden (5), 22 Stunden (6) und 26,5 Stunden (7) nach Schadstoffeinbringung statt. Eine weitere Messung erfolgte sechs Wochen später.
In beiden Räumen nahm die Formaldeyhdkonzentration im Zeitverlauf kontinuierlich ab, wobei die Abnahme innerhalb der ersten drei Stunden bei den GK-Platten 52% und bei den Lehmplatten 73% betrug (Abb. 5). Bei allen Messungen nach Schadstoffeinbringung lag die Formaldehydkonzentration im Lehmplattenprüfraum unter jener des GK-Plattenprüfraums. Zwischen den Messzeitpunkten 6 und 7 erfolgte eine Erhöhung der relativen Luftfeuchtigkeit. Nachdem es sich bei Formaldehyd um eine gut wasserlösliche Substanz handelt, erhöhte sich die Schadstoffkonzentration in der Raumluft beider Räume zu Messzeitpunkt 7, da sich das in den Platten gebundene Formaldehyd wieder in der Raumluft löste.
Die Kontrollmessung sechs Wochen nach Schadstoffeinbringung zeigte – wenn auch teilweise nur geringfügig – niedrigere Konzentrationen bei allen eingebrachten flüchtigen organischen Verbindungen (VOC) im Lehmplattenraum mit Ausnahme von n-Octan (nicht messbare Konzentration) und Toluol (Abb. 6). Bei allen eingebrachten VOCs handelt es sich um schlecht, sehr schlecht wasserlösliche bzw. nicht wasserlösliche Verbindungen. Die Ergebnisse der Messungen lassen darauf schließen, dass die Luftschadstoffaufnahme von Lehm unabhängig ist von dessen Fähigkeit, feuchteregulierend zu wirken. Für belastbare Aussagen sind jedoch weitere, umfassendere Untersuchungen notwendig.

Lehmprüfungen für die Verwendung von Aushub als Baustoff

Die unterschiedliche Zusammensetzung von Lehm je nach Ort des Abbaus bedingt eine Untersuchung der Materialeigenschaften, um dessen Eignung für die jeweilige Bauaufgabe zu prüfen. Zusätzlich zu den in der Literatur beschriebenen Handprüfverfahren, die direkt vor Ort einfach durchgeführt werden können, wurde im Rahmen des Projektes eine niederschwellige Prüfstrategie entwickelt. Von den Projektpartner:innen wurden Lehmproben aus Wien, Niederösterreich, Vorarlberg und dem Burgenland entnommen (Abb. 7), die in weiterer Folge sowohl auf der BOKU – Institut für angewandte Geologie als auch beim Bautechnischen Institut (BTI) untersucht wurden. Seitens der BOKU fanden ton- und gesamtmineralogische Analysen sowie Korngrößenbestimmungen der Proben statt. Aus den Analysen lassen sich Schlüsse über die Bindigkeit des Materials ziehen und inwiefern der vorgefundene Lehm aufbereitet werden muss, um für die geplante Bauaufgabe eingesetzt werden zu können. Die Ergebnisse der Untersuchungen ergaben einen Tongehalt der entnommenen Proben von mindestens 50 %. Das deutet auf ausreichende Bindigkeit hin – das Material muss lediglich durch Zugabe von Sand bzw. Kies gemagert werden.
Seitens des BTI wurden Schwindmaß, Druck- und Biegezugfestigkeit der Proben nach deren Aufbereitung für die Putzherstellung geprüft (Abb. 8).
Es wurden drei Materialproben für die Putzanwendung aufbereitet, geprüft und die Untersuchungsergebnisse den normativen Anforderungen für industriell hergestellte Putze (DIN 18947) gegenübergestellt. Eine der Proben (NgN 1:3) erfüllte die Vorgaben für Schwindmaß und Biegezugfestigkeit, die Druckfestigkeit kann durch geringfügige Erhöhung der mineralischen Zuschläge noch erhöht werden. Die beiden anderen Proben (Breitenfurter Straße, BaB) wären für die Anwendung noch weiter zu magern (Mischungsverhältnis 1:4 bzw. 1:5), um das Schwindmaß auf die geforderte Höhe zu reduzieren. Die Festigkeitswerte liegen weit über dem geforderten Maß für Lehmputze (Tabelle 1).
Wird Lehm in Form von Schüttungen bzw. Füllmaterial für Wände eingesetzt, ist zu entscheiden, ob es sich um leichte oder schwere Lehmmischungen handeln soll – demnach sind dem Aushubmaterial entweder organische oder mineralische Zuschläge beizumengen, genaue Anforderungen sind nicht zu erfüllen. An Lehmputze hingegen werden gewisse Ansprüche gestellt. Ist geplant, das vor Ort vorhandene Aushubmaterial als Lehmputz einzusetzen, erfolgt in der Regel die Herstellung von Putzproben mit unterschiedlichen Lehm-Sand-Anteilen – dadurch kann das optimale Mischungsverhältnis gefunden werden. Sind von Seiten des Bauherren Nachweise über die Festigkeitseigenschaften gewünscht, kann eine einfach durchzuführende Prüfung erfolgen. Bedarf dafür besteht vermutlich dort, wo der Aushublehm in großem Maßstab – beispielsweise bei der Errichtung mehrgeschoßiger Gebäude – zum Einsatz kommen soll.  

Aushubmaterial wird seit Jahrzehnten kostenpflichtig entsorgt. Bei einem Anteil von rund 60% am Gesamtabfallaufkommen – das entspricht in Österreich ca. 30 Mio Tonnen jährlich – werden nicht nur Deponien, sondern auch die Umwelt aufgrund der Materialtransporte belastet. Der Großteil des Aushubs ist verwertbar, jedoch ist das Vertrauen in die Qualität des daraus gewonnenen Materials gering. Die aktuellen Bestreben in Richtung Ressourcenschonung und Kreislaufführung im Baubereich lassen hoffen, dass künftig vermehrt Baustellenaushub als Baumaterial zum Einsatz kommt.

Wir dürfen in unserem Enthusiasmus jedoch nicht außer Acht lassen, dass Lehm keine unendliche Ressource ist. Der gewachsene Boden, den wir heute beim Baugrubenaushub vorfinden, hat sich über Jahrmillionen gebildet. Umso wichtiger ist es, den als Baustoff eingesetzten Lehm so wenig wie möglich zu modifizieren, um ihn unendlich oft aufbereiten und wiederverwenden zu können – ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft.  

Partner im durch das BMDW im Rahmen der Strategischen Projekte ACR2021 geförderten Projekt Clay to stay waren KMFA (KMU-Forschung Austria), BTI (Bautechnisches Institut) und AEE INTEC, als Subauftragnehmer waren Andi Breuss sowie die ARGE Lehmbau-BOKU dabei.

Mittlerweile konnte ein weiteres Forschungsprojekt begonnen werden, in dessen Rahmen das IBO gemeinsam mit fünf Projektpartner:innen weitere Grundlagen für die Nutzung von Lehmbaustoffen erarbeitet. Es soll eine bessere Rechtssicherheit beim Einsatz von Lehmbaustoffen erwirkt, eine Drehscheibe für als Baustoff nutzbares Aushubmaterial geschaffen sowie die vorhandenen Aus-/Weiterbildungsmaßnahmen im Lehmbau erweitert werden. Zudem wird ein Bausystem aus Holz, nachwachsenden Dämmstoffen und Lehm für die Fertigteilbauweise für den mehrgeschoßigen Wohnbau entwickelt. Durch eine Methode zur Beurteilung der Umweltwirkungen regional, in Kleinstmengen produzierter und distribuierter Bauprodukte durch Einbeziehung von Aspekten, die bislang nicht in die Bewertung einfließen, sollen die Umweltwirkungen im Rahmen von Ökobilanzen besser dargestellt werden. Es ist zu hoffen, dass aufgrund der aktuellen Entwicklungen hinsichtlich Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung der Lehmbau – unterstützt durch Forschungsprojekte – vermehrt zum Einsatz kommt.

 

1) Im Rahmen der vierteljährlich stattfindenden Konjunkturerhebung  konnten rund 1.200 baurelevante, ausführende Unternehmen erreicht werden.
2) Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen als kalte Luft. Deshalb sinkt die relative Luftfeuchtigkeit, sobald die Luft erwärmt wird.
3) Formaldehyd, VOC – Flüchtige organische Verbindungen (Toluol, n-Octan, n-Butylacetat, Beta-Pinen, 2-Ethyl-1-Hexanal, D5)
Abb. 1: Von Österreichs Planenden eingesetzte Lehmbaustoffe
Abb. 2: Fassadenprüfbox der AEE INTEC; Außenaufnahme und Grundriss
Abb. 3: Fassadenprüfbox der AEE INTEC; Innenaufnahme der beiden Prüfräume. Die gesamte innenseitige Oberfläche der beiden Prüfräume wurde vorab mit einer 5-schichtigen Alu-kaschierten Folie (braun) verkleidet, um Emissionen aus dem Aufbau auszuschließen.
Abb. 4: „Duschversuch“ in den beiden Prüfräumen. Während die Lehmplatten die Feuchtigkeit im Raum innerhalb kurzer Zeit aufnehmen und so die relative Luftfeuchtigkeit reduzieren, bleibt diese im Fall der Gipskartonplatten auf hohem Niveau.
Abb. 5: Formaldehydkonzentration in den beiden Prüfräumen der Fassadenbox zu sieben Messzeitpunkten.
Abb. 6: VOC-Konzentration in den beiden Prüfräumen der Fassadenbox sechs Wochen nach Einbringung der Schadstoffe
Abb. 7: Lehmproben aus Wien, Niederösterreich und dem Burgenland
Abb. 8: Biegezugfestigkeitsprüfung eines Lehmprismas (BTI)
Tabelle 1: Gegenüberstellung von Dichte, Schwindmaß und Festigkeitswerten unterschiedlicher aufbereiteter Lehmproben sowie Vergleich mit industriell hergestellten Lehmputzen der Firmen Claytec und Levita (Angaben laut Produktdatenblatt) und Anforderungen gem. DIN-Norm.