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Low tech im Gebäudebereich

Inwieweit Energieeffizienz durch Technikeinsatz in Gebäuden und der Komfort der Nutzer*innen vereinbar sind, wird im Forschungsprojekt „Nutzerkomfort durch low tech Konzepte in Gebäuden“ untersucht. Studien zeigen, dass die Zufriedenheit der Nutzer*innen generell höher ist, je mehr Einflussmöglichkeiten sie auf die Umgebungsbedingungen an ihrem Arbeitsplatz haben.

ForschungBehaglichkeit

Vor kurzem erhielt der aus Burkina Faso stammende, in Deutschland lebende Architekt Francis Kéré den Pritzker-Preis – eine der renommiertesten Architekturauszeichnungen der Welt. Die Begründung der Jury lautete unter anderem: Francis Kéré wirft grundlegende Fragen nach der Bedeutung von Beständigkeit und Dauerhaftigkeit des Bauens im Kontext ständiger technologischer Veränderungen und der Nutzung und Wiederverwendung von Bauwerken auf. (...) Die Gebäude sind an den Boden gebunden, auf dem sie stehen, und an die Menschen, die darin sitzen. Die Devise von Kéré bei seinen Projekten lautet: radikal simpel. Eingehen auf den Ort, Nutzer*innen einbinden, Ressourcen schonen, lokale Materialien und Techniken verwenden. Eigentlich genau das, was auch bei uns angesagt ist.

Seit einigen Jahren wird versucht, den Energiebedarf zur Gebäudeerrichtung und -temperierung zu reduzieren, um den mittlerweile sehr präsenten Auswirkungen des Klimawandels zumindest ein wenig Einhalt zu gebieten. Der drohende Engpass an fossilen Energiequellen aufgrund der kriegerischen Auseinandersetzungen am Ostrand der EU befördert diese Bestrebungen. Der Trend zu low tech im Gebäudesektor erfährt dadurch frischen Wind, Forschungsprojekte dazu sprießen. Wieviel ist den Menschen zumutbar bzw. wie wenig? Der zunächst skeptische Blick in Richtung vernakuläre Techniken wird weniger verhalten. Bauweisen, die früher funktioniert haben und nach wie vor anderswo funktionieren, können ja eigentlich nicht falsch sein.  
 
In einer Zeit zunehmender Digitalisierung und Automatisierung scheint der Ruf nach low tech im ersten Moment ein Schritt zurück zu sein. Obwohl oder vielleicht gerade weil der Begriff mittlerweile zu einem Schlagwort avanciert ist, ist nicht ganz eindeutig, was eigentlich dahinter steht.
Ausdrücke haben die Bedeutung, die wir ihnen geben. Weil das Wort low mit niedrig, gering oder schwach übersetzt werden kann, ist low tech teils negativ konnotiert. Betrachtet man low tech im Gebäudebereich jedoch weder als quantitative noch als qualitative Wertung sondern als intelligente Verbindung nicht-technisierter Maßnahmen unter Berücksichtigung sozialer und ökologischer Aspekte, kann darunter eine menschenfreundliche, ressourcen- und energiesparende Designstrategie verstanden werden.

Bei der ökologischen und ökonomischen Bewertung von Gebäudekonzepten sind stets alle beeinflussenden Parameter zu berücksichtigen – sowohl sämtliche Kosten, Energie- und Materialströme als auch die Wirkung auf und Bedürfnisse der Menschen, auch wenn diese nicht immer ausreichend abgebildet werden können. Eine Abstimmung zwischen Materialauswahl, TGA und künftigen Nutzer*innen unter Berücksichtigung örtlicher Gegebenheiten ist für ein funktionierendes Gebäude unerlässlich.

Auch (oder vor allem) die eingesetzte Gebäudetechnik hat Auswirkungen auf Menschen, funktioniert aber auch nur mit Menschen. Wesentlich für das energieeffiziente Funktionieren des Systems Gebäude ist deshalb die Einbindung der Personen, die in diesem System agieren, weil mitunter durchdachte Steuerungskonzepte von ihnen mitgetragen werden müssen. Um ihre Bereitschaft zu fördern, aktiver Teil dieses Systems zu sein, sind Akzeptanz und Komfort im Gebäude von entscheidender Bedeutung. Hier spielt vor allem die Schnittstelle zwischen Mensch und Technik eine Rolle – also ob und wenn ja, welcher Beitrag geleistet werden muss, um ein bestimmtes Bedürfnis (z. B. Blendfreiheit) zu befriedigen.

Als Planungsgrundlagen für low tech Gebäude dienen die Verbrauchsminimierung hinsichtlich Energie und Betriebsmittel,
kurze Transportwege bei Bau und Betrieb, die gute Rückbaufähigkeit, flächenschonendes Bauen sowie die grundlegende Bedarfshinterfragung. Ziel von low tech Gebäuden ist, eine Balance zwischen Energieeinsparung und Nutzer*innenkomfort zu erreichen. Ein geringer Einsatz von Technologie über den gesamten Lebenszeitraum, d.h. in der Planungs-, Bau-, Betriebs-, Erneuerungs- und Rückbauphase soll gewährleistet werden.

Das IBO erhebt gemeinsam mit dem FH Technikum Wien und dem wohnbund:consult in der Studie „Nutzerkomfort durch low tech Konzepte in Gebäuden“, gefördert vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), welchen Einfluss unterschiedliche Maßnahmen im Bereich der Gebäudeplanung und -ausstattung auf den Nutzer*innenkomfort haben, inwiefern Nutzer*innen sowohl mit den Innenraumkonditionen wie beispielsweise dem Klima als auch mit deren Beeinflussungsmöglichkeiten zufrieden sind und inwiefern sogenannte low tech Konzepte auf Akzeptanz stoßen. Aus diesen Erkenntnissen sollen Strategien ermittelt und entwickelt werden, wie durch die Umsetzung von einfachen, robusten Technikkonzepten sowohl die Benutzer*innenfreundlichkeit als auch der Nutzer*innenkomfort in Gebäuden positiv beeinflusst werden kann.

Schule in Gando (Burkina Faso) von Francis Kéré, Foto: © Enrico Cano