Zum Seiteninhalt springen

Gute Prognosen für den Massivholzbau

Der Schallschutz im Holzbau erfordert sorgfältige Planung und die dafür notwendigen Werkzeuge. Mit den Forschungsergebnissen aus dem Projekt "IRIS" liegen nun Methoden und Eingangsdaten für eine bessere Prognose und damit mehr Planungssicherheit im Massivholzbau vor. Beteiligt waren die TU, das Unternehmen Holzkomplettbau und das ACR-Institut IBO.

ForschungSchallschutz & AkustikPublikation

Massivholzkonstruktionen stellen einen zunehmend prominenten Teil von mehrgeschossigen Wohngebäuden mit großem Potenzial dar. Um den Anforderungen an den Schallschutz im Gebäude gerecht zu werden, ist in der Regel ein genauerer Blick auf die flankierende Übertragung, insbesondere für die Trittschalldämmung, notwendig. Aufgrund der Industrialisierung des Holzbaus, des hohen Vorfertigungsgrades und der Forderung, das Holz im Gebäude sichtbar zu halten, sind zusätzliche Schichten und abgehängte Decken keine von Planer:innen bevorzugten Maßnahmen um Schallschutzanforderungen zu erfüllen. Daher sind elastische Zwischenlagen (Abbildung 1) und Verbindungselemente (Abbildung 2), die einen signifikanten Einfluss auf die flankierenden Übertragungswege haben können, bei der Auslegung von Bauteilstößen zu berücksichtigen.
 
Ein wesentlicher Parameter bei der schallschutztechnischen Planung von Gebäuden und zur Vorhersage der dafür erforderlichen flankierenden Übertragung von Tritt- und Luftschall nach der Normenreihe ÖNORM EN ISO 12354, ist das Stoßstellendämm-Maß Kij. Die Methode selbst wurde für den mineralischen Massivbau entwickelt, liefert jedoch, wie verschiedene Forschungsarbeiten nachwiesen, auch für den Massivholzbau valide Ergebnisse, sofern die erforderlichen Eingangsdaten, wie das Kij, verfügbar sind. Für diese gibt es allerdings noch keine Quelle, die eine ganzheitliche Sicht auf die am Markt verfügbaren elastischen Lager und Verbindungsmittel, sowie eine Kategorisierung hinsichtlich ihrer Wirksamkeit erlaubt.

Diese Eingangsdaten werden von den Autoren in der Zeitschrift Holzbau Quadriga 2/2023 vorgestellt und in verkürzter Form hier wiedergegeben [Dolezal 2023, [Blödt 2023].

Zu den Grundlagen der Flankenübertragung

Die Schallübertragung zwischen Räumen in Gebäuden erfolgt über den Trennbauteil (Dd) und über die Flanken (Df, Ff, Fd) (Abbildung 3). Im mineralischen Massivbau (im Mehrgeschosser üblicher Weise Beton) wird die Flankenübertragung pauschal mit 3 dB berücksichtigt, was erfahrungsgemäß der Praxis entspricht. Der Massivholzbau weist je nach Konstruktion sehr unterschiedliche Flankendämmungen auf. So führen beispielsweise abgehängte Decken zu akustischer Dominanz der Flanken, sofern keine Vorsatzschalen an den Wänden angebracht werden. Eine Berücksichtigung und detaillierte Betrachtung der Stoßstellen bei der Planung, inklusive erforderlicher Maßnahmen wie die Anordnung von elastischen Zwischenlagen, ist daher erforderlich. Gemäß der normativen Prognosemethode der Schalldämmung zwischen Räumen in Gebäuden der Serie ÖNORM EN ISO 12354 wird u.a. deshalb auch in die Übertragungswege (direkt und indirekt) unterschieden.

Weitere wesentliche Parameter in dieser Methode stellen die Schalldämm-Maße und Dämpfungseigenschaften der beteiligten Bauteile sowie die Länge der Stoßstelle selbst dar. Entsprechende Gleichungen mit den erwähnten Parametern können der ÖNORM EN ISO 12354-1 (Luftschallübertragung) und ÖNORM EN ISO 12354-2 (Trittschallübertragung) entnommen werden.
Das Stoßstellendämm-Maß Kij dient in den Berechnungsnormen zur Prognose der Flankenübertragung. Es beschreibt die Eigenschaft eines Bauteilknotens die eingebrachte Körperschallenergie zwischen dem Bauteil i und dem Bauteil j, die den Bauteilknoten bilden, zu übertragen. Die Einzahlangabe von Kij (ein an sich frequenzabhängiger Parameter), ist der arithmetische Mittelwert von Kij im Frequenzbereich 200 Hz bis 1250 Hz (Terzbänder) oder 125 Hz bis 1000 Hz (Oktavbänder).

Prognoseverfahren

Für die Prognose und Wirksamkeit von elastischen Zwischenlagen kommt es auch auf die konstruktive Ausführung der Stoßstelle an. Dabei wird grundsätzlich zwischen L-, T- und X-Stoß unterschieden (Abbildung 4). Für den T- und X-Stoß können mehrere Pfade die akustische Übertragung beeinflussen. Es gilt also zunächst zu klären, welche „Stoßart“ zu berücksichtigen ist.
Um die breite Anwendung einer Prognosemethode zu gewährleisten ist eine einfache Anwendbarkeit Voraussetzung, die jedoch nicht die Zuverlässigkeit beeinträchtigen darf. Aus diesem Grund wurde eine Kategorisierung eingeführt, welche die Verbesserung des Stoßstellendämm-Maßes durch die Anwendung von Zwischenschichten und Verbindungsmitteln im Bauteilstoß charakterisiert und eine etwaige Verbesserung oder Verschlechterung gegenüber dem starren Stoß darstellt (Tabelle 1). Generell ist zu berücksichtigen, dass elastische Zwischenschichten (vulgo Baulager) das Stoßstellendämm-Maß verbessern (und damit die Flankenübertragung verringern) und die statisch erforderlichen Befestigungsmittel dieses wieder reduzieren. Eine sinnvolle Auswahl und Abstimmung zwischen beiden Maßnahmen ist daher erforderlich.
Die gewählten Niveaus der Kategorien basieren auf den Ergebnissen aus [Neusser 2022] und [Blödt 2022] zu Untersuchungen der Wirksamkeit von Zwischenschichten in Kombination mit allenfalls erforderlichen Verbindungsmitteln von Brettsperrholzelementen. Die Anwendung dieser Kategorisierung setzt eine Anwendung des jeweiligen Produktes im Rahmen des vom Hersteller angegebenen Anwendungsbereichs (z.B. Lagerpressung) voraus. Tabellen 2 und 3 stellen dem Anwender Verbesserungen des Stoßstellendämm-Maßes (∆Kij) zur Berechnung der Flankenwege F-f (Wand-Wand) und D-f (Decke-Wand) für die akustische Prognose zur Verfügung. Durch die Vorgabe einer Leistungseigenschaft an der Stoßstelle ist es möglich eine produktneutrale Prognose durchzuführen und gleichzeitig die konstruktiven Randbedingungen zu definieren.

Kategorisierung als wertvolles Werkzeug und Orientierung für Planer:innen und Hersteller

Mit Hilfe dieser Kategorisierung kann dem Dilemma vieler Planer:innen Abhilfe geschaffen werden, die Planung erst zu vervollständigen, wenn alle Herstellerdaten vorliegen. Die bisherige Herangehensweise birgt die Gefahr der Umplanungen zu einem späten Planungszeitpunkt und widerspricht auch der üblichen Vergabepraxis. Durch die Kategorisierung wird auch erreicht, dass Hersteller Lösungen für verschiedene Qualitätsstufen zur Verfügung stellen können. Dadurch kann der pauschalen Forderung nach „elastischer Entkopplung“ ein differenziertes Leistungsbild verliehen werden und eine technisch wirtschaftliche Optimierung ist möglich. Generell wäre es wünschenswert, wenn der Vorschlag zur Kategorisierung von Zwischenlagen (inkl. Verbindungsmittel) von den Herstellern und der Fachwelt angenommen wird und mit weiteren Planungsdaten gefüllt wird.

Vorliegender Artikel fasst die beiden Beiträge der genannten Autoren in der Zeitschrift „die neue Holzbau Quadriga“ Ausgabe 2/2023 zusammen, in der bei Interesse detailliertere Angaben zu finden sind.

Quellennachweis

ÖNORM EN ISO 12354-1:2018 Bauakustik - Berechnung der akustischen Eigenschaften von Gebäuden aus den Bauteileigenschaften - Teil 1: Luftschalldämmung zwischen Räumen

ÖNORM EN ISO 12354-2:2017 Bauakustik - Berechnung der akustischen Eigenschaften von Gebäuden aus den Bauteileigenschaften - Teil 2: Trittschalldämmung zwischen Räumen

[Dolezal 2023] Dolezal F., Neusser M., Blödt A. Kategorisierung der Stoßstellendämmung im Massivholzbau Teil 1: Quantifizierung der Wirksamkeit von Maßnahmen an der Stoßstelle mit Messwerten im L-Stoß. Holzbau Quadriga 2/2023.

[Blödt 2023] Blödt A., Neusser M., Dolezal F., Kategorisierung der Stoßstellendämmung im Massivholzbau Teil 2: Anwendung elastischer Zwischenlagen im Massivholzbau und Prognose der bauakustischen Prognose. Holzbau Quadriga 2/2023.

[Dolezal 2009] Dolezal F. Trittschall-Flankenübertragung bei Massivholzkonstruktionen. Dissertation, Technische Universität Wien. 2009.

[Neusser 2022] Neusser M., Bednar T.: Construction details affecting flanking transmission in cross laminated timber structures for multi-story housing. Inter.noise, Glasgow 2022.

[Blödt 2022] Blödt A., Höller C.: Akustische Verbesserungsmaßnahmen an Stoßstellen im Holzbau. DAGA, Stuttgart 2022.

Autoren:

Franz Dolezal, IBO GmbH | Maximilian Neusser, TU Wien | Adrian Blödt, Blödt Holzkomplettbau GmbH

Abb. 1: Elastische Zwischenlagen im Bauteilstoß in Theorie, (links [Neusser 2023]) und Praxis (rechts, Haberkorn)
Abb. 2: Verbindungsmittel Schrauben und Winkel in Theorie (links) und Praxis (rechts)
[Neusser 2023]
Abb. 3: Luft- (links) und Trittschallübertragungswege (rechts) zw. benachbarten Räumen [Dolezal 2009]
Abb. 4: Schematische Darstellung von Bauteilstößen in Massivholzkonstruktion – Stoßarten für die Bewertung der akustischen Übertragung / Pfeile zeigen die möglichen Übertragungspfade [Blödt 2023]
Tab. 1: Kategorisierung der Verbesserung ∆Kij eines Bauteilstoßes im Massivholzbau durch die Kombination von Zwischenschicht und Verbindungsmitteln.
Tab. 2: ∆KFf in Abhängigkeit der Zwischenschicht und Verbindungsmittel im Holzmassiv T-Stoß für den Übertragungsweg Flanke-Flanke (Ff) (∆KFfref = 21dB)
Tab. 3: ∆KDf in Abhängigkeit der Zwischenschicht und Verbindungsmittel im Holzmassiv T-Stoß für den Übertragungsweg Direkt-Flanke (Df) (∆KDfref = 11dB)