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Halogenfreie Flammschutzmittel
Alternative für Anwendungen in der Bauindustrie

Schon seit den 1970er-Jahren weiß man, dass halogenhaltige Substanzen sich ubiquitär in der ganzen Welt verteilen und an Orten scheinbar unberührter Natur zu finden sind. Die Halogene entstammen zum Teil den über Jahrzehnte hinweg großzügig eingesetzten halogenhaltigen Flammschutzmittel. Für den Brandschutz im Bauwesen ebenso wie für elektronische Geräte, aber auch für Textilien und Möbel spielen diese bedenklichen Substanzen nach wie vor eine gewichtige Rolle. Alternativen sind längst entwickelt und werden hoffentlich schon bald in Dämmstoffen wie EPS und nachwachsenden Rohstoffen für unbedenklichen Flammschutz sorgen.

Materialökologie

Halogenhaltige Substanzen rückten schon vor vielen Jahren in den Fokus umweltpolitischer Überlegungen. Die Entstehung von hochgiftigen Dioxinen beim Brand des Düsseldorfer Flughafens trug vielleicht dazu bei, dass mit Einführung der REACH Verordnung 1907/2006/EG Mitte der Zweitausenderjahre halogenhaltige Substanzen langsam, aber doch Schritt für Schritt auf diverse Verbotslisten kamen. Fachleuten war bewusst, dass ein einseitiges Verbot auf Dauer sozioökonomisch nicht durchsetzbar wäre, ohne dass entsprechend adäquate Ersatzstoffe angeboten würden. So wurden in den letzten dreißig Jahren als Alternative phosphorhaltige Flammschutzmittel ge- und erfunden und nach vielversprechenden Tests versucht, diese in den Markt einzuführen.

Der Markt für Flammschutzmittel ist jedoch immer noch von halogenhaltigen Substanzen dominiert, sind sie doch mit etablierten Prozessen herstellbar und zu einem (ohne die Folgekosten) günstigen Preis verkaufbar. Erst als es zu einem weltweitenVerbot des weitverbreiteten halogenhaltigen Flammschutzmittel (HBCD) kam, brachte dies Bewegung in den  Markt und es wurden die halogenfreien Alternativen wichtiger.

Nach vielen Jahren der Entwicklung in der chemischen Industrie kann man auf ein umfangreiches Repertoire an Flammschutzmitteln zurückgreifen, das sich generell in die Gruppe der Phosphorsäurebasierten und der Gruppe der DOPO basierten Flammschutzmittel gliedert.

Phosphorsäurebasierte Flammschutzmittel

Die Phosphorsäurebasierten Flammschutzmittel werden aus der Reaktion eines eher basischen Reaktionspartners mit Ortho-Phosphorsäure dargestellt. wie beispielsweise Ethylendiamin-o-phosphat oder Bis Guanidinphosphat im Feststoffbereich, oder Polymerer Phosphorsäureester sauer bzw. neutral im Flüssigbereich, zeichnen sich durch ihre Wirkungsweise in der Intumeszenz aus.

Darunter versteht man das Anschwellen bzw. Aufschäumen von Materialien, die im Brandfall unter Hitzeeinwirkung an Volumen zu- und entsprechend an Dichte abnehmen. In der Regel finden intumeszente Stoffe im vorbeugenden baulichen Brandschutz Anwendung, wo sie in Form einer leichten Isolierungsschicht als Hitzebremse aufschäumen. Zusammen mit dem veraschenden Material entsteht eine geschäumte Ascheschicht, welche die Sauerstoffzufuhr und dadurch die Flammenausbreitung – behindert. Flammschutzmittel dieser Art finden als Feststoffe in Kunststoffanwendungen im Baubereich Einsatz, zum Beispieldort, wo es im Brandfall zu einer Weiterleitung von Flammen kommt wie in der Haustechnik (Kabelkanäle leiten den Brand durch die Wände in den nächsten Raum).

Flüssigen Flammschutzmittel können in Klarlacken weiterverarbeitet werden. Tritt im Brandfall der Intumeszenzeffekt ein, so schützt die oberflächlich entstehende schäumende Schutzschicht das Holz derart, dass im Idealfall nach mechanischer Entfernung der Schicht das Holz unversehrt bleibt.

DOPO – ein Phosphinsäureester mit vielen Abkömmlingen

Das klassische DOPO ist eine bereits seit den 1970er Jahren bekannte Verbindung, chemisch als 9,10-Dihydro-9-oxa-10-phosphaphenanthren-10-oxid bezeichnet. Diese Verbindung wurde  in den letzten Jahren um eine Palette an Derivaten (Abkömmlingen) erweitert, die eine breites Anwendungsfeld finden. DOPO basierte Flammschutzmittel beispielsweise DOPOx-Ammonium und DOPO-EDA im Feststoffbereich oder die flüssige Variante des klassischen DOPO, zeichnen sich durch ihre hervorragende Wirkungsweise in der Brand-Gasphase aus.

In Abhängigkeit davon, welche Wirkungsweise gewünscht wird und mit welchen Synergisten gearbeitet werden kann, sind für die Anwendung im Epoxyharzbereich das flüssige DOPO,  Bisguianidinphosphat oder auch Ethylendiaminphosphat geeignete Kandidaten.

Flammschutz für Dämmstoffe ohne Halogene

Nach dem Verbot des Flammschutzmittels HBCD wird nun das als weniger bedenklich eingeschätzte polyFR verwendet, in dessen Matrix ein Halogen fest eingebunden ist. Mit dem halogenfreien DOPO-Ammonium können herkömmliche EPS Dämmstoffe (Expandiertes Polystyrol) ausgerüstet werden. Das im Brandfall entstehende Phosphoroxid ist deutlich weniger bedenklich als die toxischen Gase, die bei halogenhältigen Flammschutzmitteln die Bausubstanz so kontaminieren, dass die Renovierung verunmöglicht wird.

Noch geforscht wird mit Mischungen aus verschiedenen Feststoffen, unter anderem melaminphosphathaltigen Brandschutzmischungen. Sie können in Zelluloseeinblasdämmstoffen eingesetzt werden. Dieses Anwendungsfeld ist von speziellem Interesse und das Ziel weiterer angewandter Forschungs- und Entwicklungsvorhaben, auch zur allfälligen Erweiterung auf andere nachwachsende Dämmstoffe.

Halogenfreie Flammschutzmittel sind nicht nur in Herstellung und Nutzung umweltfreundlicher, auch die Folgeschäden eines Brandes sind mit diesen Mitteln weit geringer als bei halogenhaltigen Substanzen. Wie momentan in vielen Lebensbereichen sind auch beim Flammschutz Alternativen zu umweltschädigenden Substanzen verfügbar – höchste Zeit, sie auch breiter anzuwenden.

 

Michael Gann, metadynea und Caroline Thurner, IBO besprachen dieses Thema im Rahmen eines IBO Werkstattgespräches im Frühjahr 2019.

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