Ausgangslage
Qualitätserhaltende Baustoffkreisläufe werden in der Praxis nur in wenigen Fällen umgesetzt. Entweder stören heterogene Materialkombinationen den selektiven Rückbau von Altgebäuden und damit die Generierung sortenreiner Materialströme oder potenzielle Stör- und Schadstoffe in den Altmaterialien hemmen die Verwertungseuphorie. In diesem Sinne ist in der Recycling-Baustoff-Verordnung [1] neben der grundsätzlichen Verpflichtung zum verwertungsorientierten Rückbau eine vorangehende Stör- und Schadstofferkundung festgelegt. Beprobungen der Materialien sind allerdings für die nicht in Analyse geschulten rückbaukundigen Personen aufwändig, weshalb die heutige Praxis der Erkundung fast ausschließlich auf das Ausschleusen und gesetzeskonforme Beseitigen gefährlicher Stoffe (z.B. als krebserregend eingestufte alter Mineralfasern) abzielt.
Auch die Gesetzgebung wie z.B. die Abfallverzeichnisverordnung zielt in vielen Belangen auf die geordnete Beseitigung und Vermeidung potenzieller gesundheitlicher Belastungen für Abbruchspersonal und NutzerInnen ab, nicht auf eine hochwertige Kreislaufführung der betroffenen Materialien.
Die wesentlichen Materialströme beim Gebäudeabbruch – massebezogen – bilden die mineralischen Baustoffe. Es ist daher naheliegend, dass sich die Recyclingbemühungen von Entsorgungsunternehmen vor allem auf diese Abfallfraktion konzentriert. Andere Abbruchmaterialien wie Dämmstoffe werden in den eingespielten Prozessen häufig nur als Störstoffe betrachtet. Volumenbezogen werden aber auch diese Altmaterialien zukünftig mehr von Bedeutung sein.
Neues kooperatives Forschungsvorhaben
Das neue Forschungsvorhaben BauCycle, das gemeinsam von den drei ACR-Instituten Holzforschung Austria (HFA), OFI und IBO durchgeführt wird, strebt eine Ausweitung der Stör- und Schadstofferkundung für die hochwertige Kreislaufschließung an. Besonders kritisch ist in diesem Zusammenhang die Re-Mobilisierung oder Verschleppung von Problemstoffen, die zwar nicht als gefährlich im Sinne der Abfallgesetzgebung gelten, den nachfolgenden Verwertungsprozess aber negativ beeinflussen (Störstoffe) oder - in Bezug auf die geplante Verwertung - gesundheitlich bedenklich sind (Schadstoffe).
BauCycle adressiert dabei zunächst die Materialgruppen Altholz, Altfenster und gealterte Dämmstoffe. Sie können eine Reihe von potenziellen Schadstoffen wie Holzschutzmittel, halogenierte Flammschutzmittel, krebserregende Fasern oder schwermetallhaltige Stabilisatoren enthalten und sind zudem häufig mit Störstoffen (Beschichtungen, Klebstoffen, Dichtstoffen etc.) verunreinigt.
Altholz z.B. lässt sich in Österreich und Deutschland ausschließlich dann als Sekundärressource in der Holzwerkstoffproduktion zusetzen, wenn ausgewählte Grenzwerte gemäß Recyclingholz-V [2] (Ö) oder Altholz-V [3] (D) eingehalten werden. Erfasst werden derzeit Schwermetalle, Halogene und/oder seit mehreren Dekaden verbotene Holzschutzmittel-Inhaltsstoffe (Pentachlorphenol, polychlorierte aromatische Kohlenwasserstoffe). Aktuell verwendete Problemstoffe (z.B. Biozide oder Flammschutzmittelkomponenten) werden nicht explizit berücksichtigt. Im Falle einer Wiederverwendung (Re-Use) ohne vorangeschaltete Schadstoffabtrennung kann es daher zu unerwünschten Verschleppungen kommen.
Für Altfenster aus Holz, bei denen vorsorglich immer von einer Schutzmittelbehandlung ausgegangen wird, gilt in Österreich ein generelles Recyclingverbot. Nicht verwertbar sind nach aktuellem Stand der Technik auch Verbundfenster (z.B. Holz- oder Kunststoff-Aluminium), da diese in der Regel nicht sortenrein fraktioniert werden können. Zusätzliche Probleme machen ggf. gasbefüllte Dichtungen (Wärmeschutz) und asbesthaltige Fensterkitte. Kunststofffenster werden lt. Branchenradar in Österreich bereits jetzt zu einem Anteil von 89% [4] rezycliert. Der überwiegende Teil (über 94%) wird bei Sanierungen ausgetauscht, nur ein kleiner Rest stammt aus Abrissgebäuden. Sortenrein getrenntes PVC wird wieder zu PVC-Granulat verarbeitet und in der Regel als Kern neuer Fensterprofile verwertet. Dieser Prozess kann mindestens sieben Mal wiederholt werden. Die Problematik besteht darin, dass dadurch Additive, deren Anwendung vor 30-40 Jahren üblich war (z.B. polychlorierte Biphenyle, Cadmium- oder Blei-Stabilisatoren), die aber mittlerweile als Schadstoffe eingestuft werden, über Jahrzehnte im Kreislauf gehalten werden.
Was ist in alten Dämmstoffen enthalten?
Auch Dämmstoffe werden derzeit in Österreich und Europa de facto nicht verwertet. Im Fassadenbereich sind diese großteils mit mineralischen Putzen und Untergründen verklebt, für eine sortenreine Trennung fehlen derzeit technische und zugleich wirtschaftlich sinnvolle Lösungsansätze. Organische synthetische Dämmstoffe auf Polystyrol- (EPS, XPS) oder Polyurethan-Basis (PUR) sind damit am EoL (End of Life) als Baustellenabfälle einzustufen, die aufgrund ihrer spezifischen Beschaffenheit (Polystyrolschaumkunststoffe enthalten bis zu 98 % Luft) extrem hohe Volumina haben. Materialspezifische Probleme entstehen zudem durch die in EPS, XPS und PUR in signifikanten Mengen enthaltenen und seit 2016 verbotenen, bromierten Flammschutzmittel auf HBCD (Hexabromcyclododekan)-Basis (2-3 Massenprozent) oder klimaschädlichen Treibmittel (FCKWs). Im Bereich der mineralischen Dämmstoffe (Glas- und Steinwolle) stellt die Einstufung der Fasern gemäß CLP-Verordnung [5] als krebserregend die größte Hürde für eine Kreislaufführung dar. Keine Regelungen gibt es aktuell auch für das Recycling von alternativen Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen (z.B. Hanf, Kork), der allgemeine Wissensstand zur genauen Zusammensetzung dieser Materialien sowie zu den verwendeten Additiven ist lückenhaft.
Es geht noch mehr!
In allen drei Materialgruppen könnten grundsätzlich wesentlich höhere Recyclingquoten erreicht werden. Voraussetzung ist eine detaillierte Kenntnis über alle im Zusammenhang mit diesen Materialien anfallenden Abfall- und potenziellen Verwertungsströme und die damit verbundenen Problemstoffe. BauCycle will hierzu wesentliche Beiträge liefern. Die drei ACR Institute bilden darin ein holistisches, materialspezifisches Baustoff-Analysen-Zentrum mit kooperativem Labor. Wir entwickeln gemeinsam ein Dienstleistungsangebot, das die umfassende chemische und physikalische Materialcharakterisierung von HFD-Baustoffen aus einer Hand erlaubt. Den Unternehmen der Bau- und Abfallbranche, insbesondere KMUs, wird damit eine mobil und stationär einsetzbare Laboreinheit zur Verfügung gestellt. Dadurch gelingt die erweiterte, analysengestützte und damit qualitätsgesicherte Stör- und Schadstofferkundung auf der Baustelle sowie die ggf. notwendige nachfolgende Spezialanalyse im standortgebundenen Labor. Zusätzlich entwickeln wir neuartige, innovativen Methoden zur Problemstoffabtrennung. Rückgebaute Baustoffe werden hierdurch zu hochwertigen neuen Ausgangsprodukten oder Sekundärrohstoffen.
https://www.holzforschung.at/forschung-entwicklung/projektliste/details/baucycle-178/
https://www.acr.ac.at/science-story/baucycle-baustoff-im-kreislauf/
[1] Reycling-Baustoff-Verordnung, BGBl II Nr.181/2015
[2] BGBl.II Nr. 160/2012 und BGBl.II 178/2018 Recyclingholz-V und Novelle 2018
[3] BGBl. IS.3302 Altholz-V
[4] www.fcio4u.at/media/12133/grafik-recycling-kunstofffenster.pdf
[5] CLP-Verordnung 1272/2008