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BIMpeco
Grundlagen für das lebenszyklische Informationsmanagement von umweltrelevanten Produktdaten

Das IBO initiierte das Forschungsprojekt BIMpeco um Grundlagen für das Informationsmanagement von umweltrelevanten Produktdaten zu entwickeln. Mit an Bord sind Partner*innen aus der Austrian Cooperative Research (AEE – Institut für Nachhaltige Technologien und Güssing Energy Technologies) sowie Software-Expert*innen (A-NULL Development GmbH und ib-data GmbH). Ein Artikel aus dem Tagungsband des BauZ Kongresses 2023.

ForschungKongress/Symposion/Messe

Abstract

Bauprodukte können aufgrund ihrer Schadstoffgehalte oder Schadstofffreisetzungen ein Risikopotenzial für die Umwelt und die Gesundheit darstellen. Dies gilt sowohl für die Verarbeitung in der Errichtungsphase des Bauwerks als auch während des Gebäudebetriebs – und für die Verwertung der Materialien am Ende des Gebäudelebenszyklus. Für die Transformation der Bauwirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft wird die digitale Dokumentation der verbauten Materialien und ihrer ökologischen Eigenschaften essenziell sein. Qualitative umweltrelevante Produktinformationen werden jedoch in Ökobilanzen nicht abgebildet und in die BIM-Umgebung bislang noch nicht systematisch einbezogen. Normative Standards für das Produktinformationsmanagement und Produkt-Datenvorlagen über den Bauwerkslebenszyklus wie die ISO 19650-1 und ISO 23387 wurden bisher nur vereinzelt in proprietären Systemen angewandt. Dies veranlasste das IBO dazu, das Forschungsprojekt BIMpeco zu initiieren und gemeinsam mit Partner*innen aus der Austrian Cooperative Research (AEE – Institut für Nachhaltige Technologien und Güssing Energy Technologies) sowie Software-Expert*innen (A-NULL Development GmbH und ib-data GmbH) Grundlagen für das Informationsmanagement von umweltrelevanten Produktdaten zu entwickeln.

Grundlagen für die Auswahl schadstoff- und emissionsarmer Bauprodukte

Erfolgreiche Beispiele für die Beschaffung schadstoff- und emissionsarmer Bauprodukte sind „ÖkoKauf Wien“ (AG Hochbau und Innenausbau)(1, das Servicepaket „Nachhaltig Bauen in der Gemeinde“(2 und die „Nachhaltige Beschaffung (naBe)“ des Bundes(3, welche für schadstoff- und emissionsarme Produkte die sogenannten ÖkoBauKriterien vorschreiben. Das Verfahren und die Kriterien werden auch im Rahmen des Produktmanagements für Gebäudezertifizierungssysteme angewandt.(4  
Die ÖkoBauKriterien bestehen aus Erläuterungstext, Mindestanforderung und der Vorgabe für die Nachweisführung (Abb 1). Sie werden digital in der online-Plattform https://www.baubook.info/oea/ verwaltet und können über eine bestehende Schnittstelle in AVA-Software eingelesen werden.
In baubook können die Herstellerfirmen ihre Bauprodukte zu den ökologischen Kriterien, bauphysikalischen und ökologischen Kennwerten sowie weiteren produktgruppenabhängigen Eigenschaften deklarieren. Prüfzeugnisse, Sicherheitsdatenblätter und andere Nachweise werden an dieser einen Stelle zentral hinterlegt. Nach erfolgreich durchlaufener Qualitätssicherung werden die deklarierten Produkte in den zielgruppenspezifischen baubook-Plattformen gelistet. Die ÖkoBauKriterien und die dazu deklarierten Produkte sind in der Plattform „ökologisch ausschreiben“ dargestellt.
Kriterienkataloge für Haustechnik und Beleuchtung wurden von der ÖkoKauf Wien AG „Haustechnik“ herausgebracht.(5 Eine digitale Aufbereitung dieser Informationen wurde bisher nicht vorgenommen.

Standards für Produktinformationsmanagement und Datenvorlagen

Mehrere Standards zu Datenstrukturen und Informationsmanagement wurden zum Zeitpunkt der Projektinitiierung gerade erst veröffentlicht bzw. befanden sich in Veröffentlichung. Die ISO 19650 Teil 1 beschreibt die Begriffe und Grundsätze für das Informationsmanagement sowie Empfehlungen für eine Vorgabe zur Verwaltung von Informationen, einschließlich Austausch, Aufzeichnung, Versionierung und Organisation für alle Akteure. Für die Umsetzung des Informationsmanagements wird eine CDE-Lösung ausdrücklich empfohlen: Das Common Data Environment (kurz CDE) beschreibt eine Umgebung, in der alle – auch nichtgrafische – Projektinformationen gesammelt, verwaltet, ausgetauscht und dokumentiert werden.
Die ISO 23387 legt die Grundlage einer genormten Datenstruktur zum Austausch von Informationen zu jeder Art von Bauobjekten, z. B. Produkt, System, Baugruppe, Raum, Gebäude usw., vom anfänglichen Entwurf bis zum Abriss des Bauwerks dar. Für einen zuverlässigen und nachhaltigen Austausch von Informationen während des Lebenszyklus von Bauwerken werden maschinenlesbare Daten benötigt. Diese Datenvorlagen sollten genormt und in Form von Datenkatalogen auf der Grundlage von EN ISO 12006-3 verfügbar gemacht werden. Darüber hinaus sollten sie in Verbindung mit Industry Foundation Classes (IFC) nach EN ISO 16739 verwendet werden, um Prozesse im Sinne von openBIM zu ermöglichen und zu unterstützen.

BIMpeco – Umweltrelevante Produktdaten in kollaborativen BIM-Umgebungen

Aufbauend auf diesen Standards und etablierten Prozessen wurden im Projekt BIMpeco erstmals Grundlagen für das digitale Informationsmanagement von qualitativen umweltrelevanten Produktdaten entwickelt. Das Produktinformationsmanagement sollte in Anlehnung an ISO 19650-1 folgenden Prinzipien genügen:

  • Verwaltung und Dokumentation im Common Data Environment,
  • Aufbau auf aktuellen Standards und Methoden
  • Berücksichtigung des gesamten Lebenszyklus des Bauwerks,
  • Weitergabe der Informationen entlang der Lieferkette,
  • fortlaufende Spezifizierung der Informationsanforderungen,
  • Qualitätssicherung der Informationen.

Das Produktinformationsmanagement sollte den gesamten Lebenszyklus und die gesamte Lieferkette berücksichtigen, im Speziellen im Hinblick auf das ökologische Produktmanagement, die Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA), die Wartung der Materialien und die spätere Kreislaufführung („Stör- und Schadstofferkundung“).
Dazu bedient sich BIMpeco des Konzepts der Datenvorlagen oder „Data Templates“ aus der ISO 23387, mit welchen detaillierte Produkteigenschaften nicht (zwingend) direkt im BIM-Modell gespeichert, sondern den darin verorteten IFC-Elementen zugeordnet werden. Dies entschärft Herausforderungen bezüglich Datenvolumen und Zugriffsrechte, gleichzeitig wird eine Zusammenarbeit aller Beteiligten auf open BIM-Basis unterstützt.
Jedes Data Template bezieht sich gemäß ISO 23387 auf genau ein „Construction Object“; umgekehrt kann jedem Construction Object eine Sammlung von Data Templates zugeordnet werden. Damit kann man ein Construction Object auch als Sammlung von Datenblättern verstehen, die jedes für sich nur einen Aspekt eines Produktes abbilden.

Ein Attributmodell für umweltrelevante Produktinformationen

In den Projektworkshops mit Produktherstellerfirmen und Anwender*innen von Bauproduktdaten kam mehrfach der Bedarf an einheitlich definierten Produktmerkmalen als Grundvoraussetzung für gelingende digitalisierte Prozesse zur Sprache. Zumindest die Eigenschaften, die für eine Bauproduktgruppe jeweils in der Leistungserklärung anzugeben sind, sollten im Rahmen der Produktnormung standardisiert und für die Anwendung in Data Templates vorbereitet werden. Im Projekt BIMpeco wurden die oben erwähnten ÖkoBauKriterien sowie die ÖkoKaufWien-Kriterienkataloge für ausgewählte Haustechnikkomponenten in ein ISO 23387-konformes Attributmodell für umweltrelevante Produktinformationen zu Bauprodukten und Haustechnikkomponenten übersetzt. Für ca. 40 Produktgruppen wurden Beispiel-Datenvorlagen erarbeitet.

Integration in einen BIM-gestützten Soll-Prozess

Unter Berücksichtigung der Ansprüche verschiedener am Planungs- und Bauprozess Beteiligter sowie der normativen Vorgaben wurden konzeptionelle Überlegungen zu Data Templates und Data Sheets angestellt, deren Eingliederung in bestehende Abläufe und Datenstrukturen untersucht und Empfehlungen für einen BIM-gestützten Soll-Prozess erarbeitet.
Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Akteur*innen wird in Abbildung 2 anschaulich: Grundvoraussetzung ist die Bereitstellung von Data Templates durch unterschiedliche Organisationen (Schritt 01) bzw. von Produktdaten in der Form ebendieser Data Templates durch die Produkthersteller*innen (05). Beim Modellieren wird auf Data Templates zurückgegriffen (02 und 03), sodass die Bietenden nachvollziehen können, welche Produktdaten zu liefern sind (06) und die entsprechenden Datenblätter der geplanten Produkte übermitteln oder gleich mit dem BIM-Modell verknüpfen können (08). In der Praxis kommt es im Bauablauf häufig zu Änderungen der Produkte, sodass die zugeordneten Data Sheets aktualisiert werden müssen (09 und 10).
Wer wann welche Information in welcher Form zur Verfügung stellen muss, wird Bauprojekt spezifisch in den Auftraggeber-Informations-Anforderungen (AIA) bzw. im BIM Abwicklungsplan (BAP) geregelt. Ebenso ist in diesen Dokumenten festzulegen, auf welche Art und Weise die Relation zwischen Objekten im BIM-/IFC-Modell und den mittels Data Templates beschriebenen Construction Objects hergestellt wird. Data Templates können direkt in das IFC-Modell eingebracht oder durch Verweis nutzbar gemacht werden. Bei der letztgenannten Strategie spielen die Möglichkeiten des verwendeten Common Data Environments eine noch größere Rolle. Das IFC-Modell bildet den Ankerpunkt, und die Data Templates werden über ein Mapping verknüpft. Dies ermöglicht es, das IFC-Modell selbst datentechnisch schlank zu halten und dennoch die Möglichkeiten der Data Templates für bestimmte Anwendungsbereiche zu nutzen.
Im Bereich Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung (AVA) setzt sich die ÖNORM A 2063-2 mit dem AVA-Prozess unter Miteinbeziehung der openBIM-Methode auseinander. Diese Norm sieht vor, neben dem Bauwerksmodell eine Projektelementliste zu führen, welche für relevante modellierte Bauelemente ein entsprechendes AVA-Element enthält. Ein AVA-Element besteht aus zugeordneten Komponenten, wie etwa Positionen und ökologischen Vorbemerkungen, für die Erstellung eines Ausschreibungs-Leistungsverzeichnisses, beinhaltet bauphysikalische und ökologische Kennwerte für entsprechende Berechnungen und ist mit dem modellierten Bauelement verknüpft. Somit ist über die Projektelementliste bereits eine Verbindung zwischen den im Gebäudemodell verorteten Elementen und den verwendeten Bauprodukten bzw. Haustechnikelementen gegeben, die auch für die Zuordnung von Data Templates genützt werden kann.

Weitere Projektergebnisse

Die Anforderungen an ein Common Data Environment, das ein lebenszyklusbegleitendes Produktinformationsmanagement mit Hilfe von Data Templates ermöglicht, wurden in einem Leitfaden zusammengefasst. Eine Richtlinie für ein lieferketten- und lebenszyklusbegleitendes Produktinformationssystem im Common Data Environment ist als Artikelserie unter archiphysik.at/tag/bimpeco/) nachzulesen. Die Projektergebnisse werden demnächst gesammelt auf der Projekthomepage www.bimpeco.com veröffentlicht.

Zusammenfassung und Ausblick

Während die Forschung an Lösungen für eine verstärkte Digitalisierung arbeitet, um Informationen über Bauprodukte bereitzustellen und über den Gebäudelebenszyklus transparent zu halten, sind in der Praxis die Herausforderungen der Zusammenarbeit an einem zentralen Bauwerksmodell längst nicht bewältigt. Construction Objects mit Data Templates könnten für verschiedene Anwendungsfälle eine sinnvolle Lösung sein. Die Möglichkeit, einzelne Produkte oder Gruppen von Produkten (z.B. Verbundwerkstoffe oder ganze haustechnische Anlagen) darzustellen, zusammen mit der Möglichkeit, diese Daten mit dem Gebäudemodell, beschrieben in IFC, zu verknüpfen, ermöglicht viele interessante Anwendungsfelder.

Literatur

ÖNORM EN ISO 19650-1: 2019 04 15 Organisation von Daten zu Bauwerken –Informationsmanagement mit BIM – Teil 1: Konzepte und Grundsätze (ISO 19650-1:2018)
ÖNORM EN ISO 23387: 2020 11 15 Bauwerksinformationsmodellierung (BIM) - Datenvorlagen für Bauobjekte während des Lebenszyklus eines baulichen Vermögensgegenstandes - Konzepte und Grund
sätze

 

Das Projekt »BIMpeco – Umweltrelevante Produktdaten in kollaborativen BIM-Umgebungen« wurde im Programm »Stadt der Zukunft« gefördert.
»Stadt der Zukunft« ist ein Forschungs- und Technologieprogramm des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Es wird im Auftrag des BMK von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) gemeinsam mit der Austria Wirtschaftsservice Gesellschaft mbH (AWS) und der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT) abgewickelt.

 

www.wien.gv.at/umweltschutz/oekokauf/
www.gemeindeverband.at/Themen/Nachhaltige_Beschaffung/Nachhaltig_Bauen_in_der_Gemeinde
www.nabe.gv.at/hochbau/
www.ibo.at/materialoekologie/produktauswahl/bauproduktmanagement/
www.wien.gv.at/umweltschutz/oekokauf/ergebnisse.html

BMBWF
BMK
FFG
Stadt der Zukunft
Abb. 1: Beispielhafte Darstellung eines ÖkoBauKriteriums, Quelle: IBO
Abb. 2: Ablaufschema für den Produktdaten-Transfer in BIM mit Data Templates,
Quelle: A-NULL Development GmbH