Relevante Produkteigenschaften von Dämmstoffen
Im Fokus der Dämmstoffwahl bei Neubau oder Sanierungsmaßnahmen steht die Energieeffizienz. Professionisten achten dabei verständlicherweise vor allem auf die Wärmeschutzeigenschaften der Materialien. Aus Sicht der Bauökologin bedeutet Energieeffizienz aber auch, die Herstellungs-, Wartungs- und Entsorgungseigenschaften der Produkte zu berücksichtigen. Für die Bewohner sind in der Nutzung zudem raumklimatische Eigenschaften wichtig, wie beispielsweise eine hohe Wärmespeicherkapazität, gute Feuchtepufferung bis hin zum Schadstoffabbau. Ökologische Dämmstoffe aus mineralischen, nachwachsenden oder sekundären Rohstoffen sind unter diesem Blickwinkel besonders hervorzuheben.
Zwar wird ihnen immer noch mit Vorbehalten begegnet, tatsächlich aber findet man in puncto Wärmeschutz ökologische Dämmstoffe, die mit Mineralwolle- oder EPS-Dämmstoffen mithalten können. Den technischen Anforderungen an Dauerhaftigkeit und Brandschutz werden diese Produkte ebenfalls gerecht.
Weitere Vorbehalte gegenüber alternativen Dämmstoffen, wie erhöhte Anfälligkeit für Schädlingsbefall, Schimmelpilzwachstum oder ungewünschte Emissionen können Hersteller in der Regel direkt ausräumen: Entsprechende Untersuchungen gehören zur Qualitätssicherung oft schon standardmäßig dazu. Umweltlabel wie das IBO Prüfzeichen, das Österreichische Umweltzeichen und das natureplus® Qualitätszeichen bieten eine zusätzliche Auswahlhilfe. Sie bilden den Stand des bauökologischen Wissens ab und sorgen durch regelmäßige Kontrollen für eine verlässliche Qualität der zertifizierten Produkte.
Bauökologische Anforderungen an Dämmstoffe am Beispiel des Umweltzeichens natureplus®
Der Verein natureplus e.V. hat für eine Vielzahl an Dämmstoffen auf Basis mineralischer oder nachwachsender Rohstoffe das Qualitätszeichen natureplus® vergeben (http://www.natureplus-database.org/produkte.php). Mit der Auszeichnung ist ein besonders hoher Anspruch an umwelt- und gesundheitsrelevante Produkteigenschaften verbunden. Abhängig von der Produktgruppe und den technischen, normativen Anforderungen muss das Produkt zu mindestens 85 % aus nachwachsenden oder mineralischen Einsatzstoffen hergestellt sein. Produktgruppenübergreifend werden Stoffe mit Gefährlichkeitsmerkmalen wie beispielsweise kanzerogenen Eigenschaften geregelt, d.h. deren Einsatz wird stark eingeschränkt oder ausgeschlossen. Mineralische Rohstoffe unterliegen Umwelt- und Naturschutzanforderungen. Für Holzprodukte ist der Einsatz von Sekundärhölzern oder von Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft nachzuweisen. Zellulosedämmstoffe müssen aus Altpapier bestehen. Der Einsatz von Bioziden ist bei Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen nicht zulässig und die Produkte müssen bei fachgerechtem Einbau resistent gegen Schimmelwachstum sein. Im Hinblick auf die Nutzung werden die Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen aus dem Produkt geprüft. Dabei gelten für zertifizierte Dämmstoffe allgemein anerkannte Vorsorgewerte als Grenzwerte.
Bauaufgaben bei Neubau und Sanierung - Empfehlungen für die Materialwahl
Bei der konkreten Dämmstoffwahl ist es hilfreich, die Anzahl der verfügbaren Materialien entsprechend der gewünschten oder vorhandenen Bauweise einzugrenzen und „materialhomogen“ zu dämmen, also bei Massivbauweise ein mineralisches Dämmsystem mit Mineralschaumplatten zu verwenden, bei Holz(leicht)bauweise Dämmstoffe auf Basis sekundärer oder nachwachsender Rohstoffe. Das ist bauphysikalisch und bauökologisch günstig, auch im Hinblick auf die Recycling- und Entsorgungseigenschaften der Gesamtkonstruktion.
Wird das Dachgeschoß nachträglich ausgebaut eignen sich z.B. Holzfaser-, Hanf- oder Flachsdämmstoffe sowie Schafwolle- oder Zelluloseeinblasdämmung besonders gut, denn sie bieten aufgrund ihrer hohen Wärmspeicherkapazität einen sehr guten Schutz vor sommerlicher Überhitzung. Die nachträgliche Dämmung der obersten Geschoßdecke gelingt mit einer Perlite- oder Blähglasschüttung oder alternativ mit druckfesten und daher direkt begehbaren Holzfaserdämmplatten besonders leicht. Bei Schimmelpilz oder für die nachträgliche Dämmung einzelner Räume ist eine Innendämmung aus Mineralschaumplatten zu empfehlen. Ist aufgrund hoher Formaldehydbelastungen durch alte Holzwerkstoffe eine Schadstoffsanierung notwendig, hilft Schafwolle die Belastungen zu reduzieren. Und wer es ökologisch und regional möchte, wählt Baustrohballen für die Zwischendämmung oder gleich als tragende Variante für die Außenwand.
Wirtschaftliche und ökologische Amortisation von Dämmmaßnahmen
Viele scheuen die vermeintlichen Mehrkosten ökologischer Dämmstoffe, aber: Erweitert man als umweltbewusster Bauherr den Betrachtungsrahmen und bezieht neben den Investitionskosten auch die ökologischen und finanziellen Aufwände für die Produktherstellung, -wartung und -entsorgung mit ein, relativiert sich die Kostenrechnung.
Kostenvergleich mit dem Amortisations- und Wirtschaftlichkeitsrechner (AWR)
Für einen Kostenvergleich der bevorzugten Dämmstoffe eignet sich der über baubook.info zugängliche Amortisations- und Wirtschaftlichkeitsrechner (AWR; https://www.baubook.at/awr/). Mit ihm kann die ökologische und wirtschaftliche Amortisation von Dämmmaßnahmen berechnet werden.
Am Beispiel eines Steildachaufbaus wurden für verschiedene Dämmmaterialien der ökologische und der Kostenaufwand für Errichtung und Betrieb ermittelt. Tabelle 2 zeigt den Aufbau der Konstruktion.
Die Auswertung kann unter verschiedenen Gesichtspunkten geschehen, sich beispielsweise in einem ersten Schritt an den Kosten orientieren. Diesem Ansatz folgend wäre der kostengünstigste Dämmstoff mit seiner entsprechenden ökologisch optimalen Dicke auszuwählen, im vorliegenden Beispiel nach Abbildung 1 also eine 40 cm dicke Glaswolledämmung mit Kosten von ca. 3 EUR/m²a. Das nächstgünstigere Produkt ist Zelluloseeinblasdämmung mit Kosten von ca. 3,75 EUR/m²a bei einer ökolgisch optimalen Schichtdicke von 31 cm.
Erweitert man den Auswahlrahmen um die ökologischen Faktoren, zeigt sich nach Abbildung 2, dass mit einer rein kostenorientierten Auswahl ein erhöhter Ressourcenverbrauch einhergeht. Konkret bedeutet die Verwendung von 40 cm Glaswolle einen Bedarf an nicht erneuerbarer Primärenergie von ca. 44 MJ/m²a gegenüber etwa 37 MJ/m²a beim Einsatz von Zellulose-Einblasdämmung
Bei einer Dachfläche von 100 m² ergeben sich somit über einen Betrachtungszeitraum von 30 Jahren Einsparungen von 21.000 MJ. In einem Elektroauto können damit knapp 26.000 Personenkilometer zurückgelegt werden (Quelle: Basisdaten aus ecoinvent Datenbank 2.2).
Werfen wir anhand dieses Beispiels noch einen genaueren Blick auf die Errichtungs- und Betriebskosten in Abbildung 7 und 8. Die Mehrkosten für die ökologisch optimierte Variante belaufen sich im Betrieb auf 0,3 EUR/m² a. In der Gesamtbetrachtung des Betriebs über 30 Jahre ergeben sich Mehrkosten von 2250 EUR oder 25 % für die ökologisch günstigere Dämmlösung mit Zellulose.
Berücksichtigung ökologischer Dämmstoffe in Förderungs- und Gebäudebewertungsprogrammen
Die Verwendung (zertifizierter) ökologischer Dämmstoffe kann sich in weiterer Hinsicht auszahlen, denn in einigen Bundesländern und in Gebäudebewertungssystemen werden für deren Einsatz Förderungen bzw. Bewertungspunkte vergeben:
- In Vorarlberg wird die Verwendung von Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen gefördert (Modell 2016/2017 Neubau, www.baubook.at/vlbg/)
- Die Wohnbauförderung Niederösterreich unterstützt mit dem Punktesystem Nachhaltigkeit den Einsatz zertifizierter ökologischer Produkte (https://www.baubook.at/noe/)
- Im klimaaktiv Haus Programm werden klimaaktiv Punkte für den Einsatz zertifizierter Produkte u.a. bei Neubau und Sanierung (Kriterienkatalog 2017) vergeben (https://www.baubook.at/kahkp/)
Entsorgungseigenschaften ökologischer Dämmstoffe
Bleibt noch das Thema Entsorgung. Hier nimmt die EU-Bauprodukteverordnung die Baubeteiligten in die Pflicht, denn sie fordert für das Bauwerk auch für das Ende seines Lebenszyklus eine nachhaltige Ressourcennutzung und damit die Wiederverwendung oder das Recycling seiner Baustoffe und Teile. Das bedeutet, dass bereits bei der Produktherstellung Stoffe zu vermeiden sind, die das Recycling oder die Entsorgung erschweren. Je höher der Störstoffanteil z.B. durch Flammschutz- oder Hydrophobierungsmittel, Biozide, Fraßschutzmittel oder synthetische Stützfasern, desto geringer das Recyclingpotenzial und desto höher der Entsorgungsaufwand. Dies gilt prinzipiell für alle Dämmstoffe.
Auch die Einbauart spielt eine wichtige Rolle. Wenn Dämmstoffe lose verlegt oder mechanisch befestigt werden, dann können sie am Ende des Produktlebenszyklus leicht ausgebaut werden und das Recycling oder die Entsorgung gestaltet sich entsprechend leichter. Werden Dämmstoffe aus biogenen Rohstoffen, Mineralwolle oder EPS in Wärmedämmverbundsystemen eingesetzt, erschweren die mineralischen Verunreinigungen mit Systemkomponenten wie Putzen und Klebern ein stoffliches Recycling. Für diesen Anwendungsbereich eignen sich daher Mineralschaum- oder Perlitedämmplatten am besten, da das System dann sortenrein entsorgt werden kann.
Ökologische Dämmstoffe weisen tendenziell ein günstigeres Entsorgungsverhalten aus, da die Haupteinsatzstoffe in der Regel leichter stofflich zu verwerten oder zu beseitigen sind und insbesondere bei zertifizierten Produkten der Einsatz von Störstoffen vermieden oder reduziert wird.
Fazit
Im Zusammenspiel mit einer bauphysikalisch-bauökologischen Fachplanung können mit ökologischen Dämmstoffen mehr als nur konkurrenzfähige Lösungen entstehen. Für die Bewohnerinnen und Bewohner ist der Mehrwert spürbar. Und am Ende des Lebenszyklus können diese Produkte weitaus besser wiederverwertet werden und stellen ein wesentlich geringeres Entsorgungsproblem dar.