Das deutsche Umweltbundesamt stellte in seinem Bericht aus dem Jahr 2016 [2] fest, dass in Deutschland bis 2026 der vorhandene Deponieraum ausgeschöpft sein wird, wenn nicht neue Orte für die Deponie von Abfällen geschaffen werden können. Doch neue Deponien sind politisch nie einfach durchzusetzen und teuer in der Einrichtung. Besonders städtische Gebiete stehen hier vor einer großen Herausforderung, verfügen sie in der Regel nicht über eigene Deponien und sind auf die Abnahme ihres Abfalls auf die Gutwilligkeit des Umlandes angewiesen. Gleichzeitig schreibt die europäische Politik zunehmend die Umsetzung der Ressourcenschonung und der Circlular Economy vor.
Der Baubereich trägt zum allgemeinen Abfallaufkommen mit einem Anteil zwischen 40 und 50% bei. Viele Bauabfälle wären allerdings wiederverwertbar. Das Ziel ist es also Gebäude am Ende ihres Lebenszyklus in Zukunft nicht mehr als Abfall zu behandeln. Die Bausubstanz soll bereits im Planungsprozess sogestaltet werden, dass heute errichtete Gebäude als Rohstofflager für Bauvorhaben der Zukunft besser genutzt werden können.
Das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen und seine Kriteriensteckbriefe
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, wissenschaftlich begleitet durch das BBSR, hat also in einer zweijährigen kooperativen Zusammenarbeit mit der DGNB (Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen) einen Kriterienkatalog zur ganzheitlichen Betrachtung und Bewertung von Nachhaltigkeitsaspekten für Gebäude entwickelt [3]. Dieser gilt vorerst für den Bau von öffentlichen Büro- und Verwaltungsgebäuden.
Das System basiert auf den 5 Kategorien ökologische Qualität, ökonomische Qualität, soziokulturelle und funktionale Qualität, technische Qualität und Prozessqualität. Jede Kategorie ist in Unterkategorien gegliedert, welche durch Kriteriensteckbriefe detailliert beschrieben werden.
Der Kriteriensteckbrief BNB 4.1.4
Der Kriteriensteckbrief 4.1.4 „Rückbau, Trennung und Verwertung“ [4] ist Teil der technischen Qualität und hat zum Ziel, Gebäude bereits im Planungsprozess so zu optimieren, dass sie am Ende des Lebenszyklus einen optimalen Beitrag zur Kreislaufführung von Baustoffen leisten und möglichst wenig unverwertbaren Abfall hinterlassen.
Die neue Methode
Das IBO hat diesen Steckbrief in einem ersten Projekt methodisch und wissenschaftlich überarbeitet und ist nun im Folgeprojet damit beauftragt, hinterlegte Parameter zu verfeinern, die Methode in Pilotprojekten auf ihre Zielgenauigkeit und Ergebnisstabilität zu überprüfen und schließlich bei der Umsetzung der Implementierung in das eLCA-Tool des BBSR unterstützend beizutragen.
Ausgangspunkt für die Entwicklung der neuen Methode waren der aktuelle BNB 4.1.4 [4], die vorbereitenden Arbeiten zum Projekt „Urban Mining“ [5] und der Entsorgungsindikator „EI-10“ [6]. In der neu überarbeiteten Methode werden Bauteile zunächst virtuell in nicht mehr weiter voneinander trennbare Schichten zerlegt, soweit technisch möglich, bzw. so, wie sie von einem Abbruch- und Entsorgungsunternehmen in der Praxis in getrennten Fraktionen gesammelt werden. Jede einzelne Fraktion wird dann mit einer Note zwischen 1 (sehr gut) und 6 (sehr schlecht) anhand eines Bewertungsschemas beurteilt, das der Qualität des Verwertungsweges dieser Fraktion entspricht. Die Bewertungen der einzelnen Fraktionen werden nach Volumen gewichtet, zu Bauteilen aufsummiert und schließlich auf Gebäudeebene aggregiert.
Bewertungsschema – das zentrale Element
Grundlage für die Entwicklung dieses Bewertungsschemas war eine ausführliche Recherche über Entsorgungswege, die unterschiedliche Materialien in der Praxis nehmen, bzw. auf Grund von gesetzlichen Bestimmungen nehmen müssen.
Das deutsche Kreislaufwirtschaftsgesetz [7] schreibt eine eindeutige Hierarchie von Verwertungswegen vor, die in der Entscheidung für einen Entsorgungs- oder Verwertungsweg eingehalten werden muss. Oberste Priorität in dieser Hierarchie hat die Vermeidung von Abfall. Im Baubereich würde das bedeuten, ein Gebäude nicht zu bauen, weshalb diese Kategorie im vorliegenden Bewertungsschema nicht zum Tragen kommt. Ob gebaut wird oder nicht, muss an anderer Stelle entschieden werden. Die nächste Priorität hat die Wiederverwendung, dann kommen Recycling, energetische Verwertung und als letzte Stufe die Ablagerung auf einer Deponie. Das neue Bewertungsschema spiegelt diese Vorgabe wieder.
Alle genannten Kategorien unterliegen selbst wieder gesetzlichen Vorschriften. Beispielsweise darf Betongranulat nur bis zu einem gewissen Grenzwert Sulfat enthalten, damit es als Körnung für Recycling-Beton wiederverwendet werden darf. Kunststoffe können als Brennstoffe in der energetischen Versorgung unproblematisch sein. Wenn sie allerdings höhere Mengen an halogenierten Kohlenwasserstoffen enthalten, müssen sie in Sondermüllverbrennungsanlagen verbrannt werden. Damit die Mengen halogenierter Dioxine und Furane im Abgas verringert werden können, muss die erbrennung bei Temperaturen von 1100°C über einen Zeitraum von 2 Sekunden im Verbrennungsraum erfolgen.
Die neue Bewertungsmatrix spiegelt auch solche Vorgaben innerhalb der jeweiligen Kategorie in Form von Abstufungen in der Bewertung wider. Je höher der technische oder energetische Aufwand ist, der innerhalb der Kategorie betrieben werden muss, damit das Material entsorgt werden kann, umso schlechter wird die Bewertung der Abfallfraktion. Im Fall von Wiederverwertung und Recycling erfolgt die Abstufung einerseits abhängig von der der Qualitätsstufe, in der das Material wieder eingesetzt werden kann, andererseits vom Aufwand, der technisch oder chemisch betrieben werden muss, damit ein Material überhaupt wieder eingesetzt werden kann.
Abfallverwertung heute und morgen
Absolut neu im Bewertungsverfahren ist, dass auch Entsorgungswege in die Bewertung mit einfließen, die derzeit noch nicht flächendeckend beschritten werden, deren flächendeckende Einführung jedoch unmittelbar absehbar ist. „Gips Recycling“ hat zum Beispiel in Dänemark ein Logistiksystem mit mobilen Aufbereitungsanlagen entwickelt, das Gipsabfälle von Bau und Rückbau sammelt und zu hochwertigem Gipspulver verarbeitet, das bis zu 30% als Füllstoff in neue Gipskartonplatten eingearbeitet werden kann. „Gips Recycling“ (http://www.gipsrecycling.se/15708-1_Home) ist mittlerweile in mehreren Länder in der EU und in Amerika aktiv. Eine flächendeckende Einführung des Systems in ganz Deutschland scheint in greifbarer Nähe. Namhafte Gipskartonplattenhersteller wie Knauf, Rigips, Usg etc. haben sich bereit erklärt, derart aufbereitetes Gipspulver in ihre Platten einzuarbeiten.
In der neuen Bewertungsmethode sollen derart vorbildliche Systeme belohnt werden. Daher wurde ein Technologiefaktor eingeführt, der die Bewertung einer Abfallfraktion um einen vom Reifegrad der Technologie abhängigen Bruchteil der Verbesserung zum derzeitigen Stand der Technik herabsetzt.
Der aktuelle Stand
Derzeit erprobt das IBO die Methode an Pilotprojekten. Die Einstufungen der unterschiedlichen Bauteilschichten im Bauteilkatalog müssen auf Konsistenz überprüft und gegebenenfalls an die in Workshops mit Stakeholdern wie Abfall- und Entsorgungsunternehmen oder Bauproduktenhersteller neu gewonnenen Erkenntnisse angepasst werden.
Ein erster Expertenworkshop mit Anwendern zeigte jedenfalls großes Interesse von Anwenderseite an der neuen Methode. Man darf gespannt sein.
Literatur
[1] H. Figl, C. Thurner, F. Dolezal, P. Schneider-Marin, I. Nemeth; A new Evaluation Method for the End-of-life Phase of Buildings. IOP Conference Series Earth and Environmental Science 225:012024; DOI: 10.1088/1755-1315/225/1/012024; Feb. 2019
[2] Umweltbundesamt Germany, Deponien gestern und heute. Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau, www.umweltbundesamt.de/themen/abfall-ressourcen/entsorgung/deponierung-lagerung 2016.
[3] Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat. (2018) Bewertungssystem für nachhaltiges Bauen (BNB). [Online]. www.bnb-nachhaltigesbauen.de/bewertungssystem/bnb-unterrichtsgebaeude/bnb-un-2017/kriterien-bnb-unterrichtsgebaeude-neubau-bnb-un.html
[] BBSR - Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Anlage zur Leistungsbeschreibung - Detaillierte Beschreibung des Arbeitspakets 2: Hinweise zur Weiterentwicklung des BNB-Kriterium 4.1.4 Rückbau, Trennung, Verwertung, 2017.
[4] BUNBR - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau- und Reaktorsicherheit, Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) Büro und Verwaltungsgebäude (BN). Kriterium 4.1.4. Rückbau, Trennung und Verwertung, 2015.
[5] TU Berlin, Urban Mining - Leitfaden zur Vermeidung nicht recyclingfähiger Bauabfälle bei küntigen kommunalen Hochbauvorhaben, Berlin, 06.03.2017.
[7] Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. (2012, Februar) Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung. [Online]. www.gesetze-im-internet.de/krwg/KrWG.pdf