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TimberBioC
Kritische Evaluierung des Effekts biogenen Kohlenstoffs in Holzprodukten auf den Klimawandel anhand dynamischer Modelle

Ein Vortrag gehalten am BauZ! 2024

ForschungMaterialökologie

Einleitung

Holz nimmt im Laufe seines Wachstums CO2 aus der Atmosphäre auf und lagert es in Form von Kohlenstoff ein. Dies führt zu einer Reduktion des Treibhausgases in der Atmosphäre und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Abschwächung der aktuellen klimatischen Bedingungen, besonders wenn CO2 sehr lange im Holz gebunden bleibt. Diese Eigenschaft wird vor allem von langlebigen (zumeist in der Primärkonstruktion eingesetzten) Holzprodukten im Baubereich erfüllt. Auch wenn es sich bei diesem Vorgang um eine temporäre CO2-Speicherung handelt, werden dabei dennoch unmittelbare Emissionen vermieden und damit das Erreichen von CO2-bezogenen Reduktionszielen unterstützt. Dieser Effekt kann allerdings mit der aktuellen Methode der Ökobilanzierung von Bauprodukten nicht abgebildet werden.

Ausgangssituation

Nach der derzeit gültigen Ökobilanzmethode für Bauprodukte (EN 15804 [1]) spielt der Kohlenstoffgehalt im betrachteten Produkt eine entscheidende Rolle. Der während des Baumwachstums aufgenommene und zum Zeitpunkt der Herstellung im Produkt befindliche (biogene) Kohlenstoff ist als negatives Treibhauspotenzial (GWP) im Rohstoff zu berücksichtigen (-3,67 kg CO2-Äq./kg C) und wird in der Lebenszyklusphase A1-A3 (Herstellungsphase) ausgewiesen. Allerdings muss der gesamte im Produkt gespeicherte Kohlenstoff am Lebensende (Lebenszyklusphase C: Entsorgungsphase) verpflichtend wieder aus dem betrachteten System ausgebucht und somit hinsichtlich des GWP mit +3,67 kg CO2-Äq./kg C bewertet werden. Die Ströme an biogenem Kohlenstoff in und aus den Holzprodukten, führen daher bei dieser Betrachtungsmethode (auch als „-1/+1-Ansatz“ bekannt) über den gesamten Lebenszyklus zu einem Netto-Null-Beitrag bezüglich des Kohlenstoff-Fußabdrucks des Produkts. Jegliche Anrechnung von positiven Effekten der vorübergehenden biogenen Kohlenstoffspeicherung und der damit verbundenen verzögerten CO2-Emissionen ist nicht zulässig. Mit dieser Vorgehensweise werden somit im Zusammenhang mit den biogenen Kohlenstoff- bzw. CO2-Flüssen weder eine Verlängerung der Produktlebensdauer noch das Bevorzugen einer Wiederverwendung oder stofflichen Verwertung gegenüber einer thermischen Verwertung am Lebensende berücksichtigt und dementsprechend auch keine Lenkungswirkung hinsichtlich einer effizienten Kreislaufwirtschaft im Holzbau erzielt.

Dynamische Ökobilanzierung

Die dynamische Ökobilanzierung (DLCA) ist eine Erweiterung bzw. Anpassung der „traditionellen“ Ökobilanzmethode, die zeitlichen Aspekte der Umweltauswirkungen während des gesamten Lebenszyklus eines Produkts berücksichtigt [2]. Grundsätzlich ist diese „Dynamisierung“ für alle Wirkungsindikatoren durchführbar, bisher lag der Fokus bei solchen Betrachtungen aber vor allem auf den Treibhausgasen (primär CO2). Im Gegensatz zur statischen Methode nach EN 15804 bei der alle Auswirkungen im Betrachtungszeitraum zeitlich zusammengefasst und somit gleichbehandelt werden, wird bei der dynamischen Ökobilanzierung der Zeitpunkt von Inputs (Material & Energie) sowie Outputs (Abfälle, Emissionen) im betrachteten System explizit berücksichtigt und deren Auswirkungen auf die Umwelt – basierend auf den tatsächlichen Abbauraten in der Atmosphäre – differenziert betrachtet. Darüber hinaus kann auch berücksichtigt werden, dass sich Auswirkungen von gewissen Prozessen im Laufe der Zeit aufgrund von Änderungen der Technologie, des Verbraucherverhaltens, der Vorschriften und anderer Faktoren ändern können.

TimberBioC – Methodik & Ziel

Eine schematische Übersicht der Projektinhalte ist in Abbildung 1 dargestellt. Die im Forschungsprojekt durchgeführten Untersuchungen zielen auf eine holistische Quantifizierung und Darstellung der Treibhauswirkung von Holzbauprodukten ab. Hierfür wird einerseits mit Hilfe eines dynamischen Waldmodells unter Berücksichtigung verschiedenen Bestandstypen inkl. der spezifischen Umtriebszeiten sowie verschiedener Szenarien der Wald-bewirtschaftung die jährliche (biogene) Kohlenstoffbilanz im Forst nach der Holzentnahme modelliert und in weiterer Folge die atmosphärenrelevanten CO2-Flüsse berechnet. Dabei werden auch das Totholz, die Kohlenstoffdynamik im Waldboden sowie der Einfluss künftiger Klimaszenarien berücksichtigt. Dieser Ansatz der nachgelagerten Betrachtung hinsichtlich CO2-Aufnahme, stellt einen Gegensatz zur aktuellen Praxis dar, bei der die Speicherung vor der Holzentnahme berücksichtigt wird. Andererseits wird für die verschiedenen Holzprodukte (Schnittholz, CLT etc.) eine ebenfalls jährlich aufgelöste Sach- und in weiterer Folge CO2-Bilanz basierend auf ecoinvent v3.8 modelliert. Um den aktuellen Entwicklungen bzgl. Kreislaufwirtschaft im Bausektor Rechnung zu tragen, werden für die End-of-Life-Phase verschiedene Szenarien angesetzt, darunter Verbrennung mit Energierückgewinnung, Wiederverwendung, Recycling in Spanplatten, bioenergetische Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (BECCS) sowie pyrogene Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (PyCCS). In diesem Zusammenhang werden, abweichend zu den aktuellen normativen Vorgaben, nur jene CO2-Emissionen inkludiert, welche tatsächlich in die Atmosphäre gelangen, z. B. wenn ein Produkt thermisch verwertet wird. Darüber hinaus werden die Emissionen hinsichtlich ihrer Klimawirkung unter Berücksichtigung des spezifischen Emissionszeitpunkts bewertet. Eine Kopplung der zwei Ebenen (Forst & Produkt) liefert schlussendlich die gewünschten Resultate, einerseits den kumulierten CO2-Fluss und andererseits nach Umrechnung der jährlichen CO2-Flüsse mittels dynamischer Charakterisierungsfaktoren den kumulierten Strahlungsantrieb in [(W*a)/m²] (vgl. Abb. 2).

Fazit

Die ersten Ergebnisse des Forschungsprojekts zeigen, dass die aktuelle Methode der Berücksichtigung von temporär gespei-chertem biogenem CO2 in Bauprodukten die tatsächlichen Klimawirkungen nicht adäquat darstellen kann. Dynamische Vorgänge im Wald und während der Produktnutzung sowie die Treibhausgasänderung in der Atmosphäre erfordern eine zeitgemäße, differenzierte und v.a. dynamische Betrachtung auch in der Normung. Dass dies möglich und dem Praktiker auch zumutbar ist, zeigt das Beispiel der Simulation der sommerlichen Überwärmung nach ÖNORM B 81810-3:2020 [3], die in ihrer Komplexität vergleichbar erscheint.

Literaturverzeichnis

[1] EN 15804:2019 Sustainability of construction works - Environmental product declarations - Core rules for the product category of construction products. European Committee for Standardization, Brussels.
[2] Levasseur A., Lesage P., Margni M., Deschênes L., Samson R. (2010) Considering Time in LCA: Dynamic LCA and Its Application to Global Warming Impact Assessments. Environmental Science & Technology 44 (8), 3169-3174.
[3] ÖNORM B 8110-3:2020 Wärmeschutz im Hochbau – Ermittlung der operativen Temperatur im Sommerfall. Österreichisches Normungsinstitut, Wien.

Danksagung

Dieses Projekt wird aus Mitteln des Waldfonds, einer Initiative des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft gefördert und im Rahmen des Programms Think.Wood der Österreichischen Holzinitiative durchgeführt.

Waldfonds
FFG
Fachverband Holzindustrie

Kontakt

Abb. 1: Schematische Darstellung des dynamischen TimberBioC-Ansatzes
Abb. 2: Beispielhafte Ergebnisdarstellung – Kumulierter CO2-Fluss (links) & Kumulierter Strahlungsantrieb (rechts)