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GLASGrün
Klima, Energie und Wohlbefinden regulieren

Regulierung von Klima, Energiebedarf und Wohlbefinden in GLAS-verbauten durch bautechnisch integriertes, vertikales GRÜN. GLASGrün entwickelt für Gebäudetypen mit Glasfassaden vertikale Begrünungsvarianten zur Bestandsergänzung, zur Bestandssanierung und für den innerstädtischen Neubau.

ForschungBauphysik

Einleitung

Gebäude und Renovierung werden „Flaggschiff“ des europäischen „Green Deals“. Zentrales Ziel ist die Verdoppelung der Sanierungsrate von Gebäuden. Im neuen österreichischen Klima-und Energieprogramm findet sich das Thema Gebäude an erster Stelle mit einer Zielquote zur Sanierung von 3 %. Aktuelle Klimawandelanpassungsstrategien erfordern eine Zunahme der Gebäudebegrünung im Bestand und an Fassaden. Die moderne Architektur setzt Glas im Gebäudesektor vielfältig ein, insbesondere im Gewerbebau. Großflächige Glasgebäude gelten verbreitet als architektonische Highlights, stellen urbane Räume jedoch vor problematische Herausforderungen. Glas beeinflusst das Mikroklima im Rauminneren als auch in der unmittelbaren Außenumgebung maßgeblich: Eine Konzentration der Strahlungsenergie und hohe Raumtemperaturen belasten den Energiehaushalt und das Wohlbefinden der Nutzer:innen.

Ausgangssituation

Die nachträgliche Begrünung von Glasfassaden und Gebäudeglasflächen ist eine Lücke in der Bauwerksbegrünung und herausfordernd: Einfache Systeme scheitern an der mangelnden Haftung der pflanzlichen Kletterorgane an Glasflächen. Kletterhilfen für Trogbepflanzungen genauso wie Hängevorrichtungen stellen meist aus statischen Gründen keine Option dar, und fassadengebundene Systeme können nachträglich nicht integriert werden. Aktuell fehlen Standardanwendungen für die nachträgliche Beschattung und Isolierung von Glasgebäuden und den damit verbundenen mikroklimatischen Benefit zur Gänze.

Ziele und Innovationsgehalt

GLASGrün zielt darauf ab, an Gewerbegebäuden mit großflächig verglasten Fassaden Vertikalbegrünungsvarianten zur nachträglichen Außenverschattung durch sommergrüne Pflanzen zu entwickeln, umzusetzen, zu testen und zu monitoren. Dabei sollen die vegetationstechnischen als auch statischen Herausforderungen gelöst und übertragbare Standardvarianten entwickelt werden. Es werden erstmalig fundierte sozialwissenschaftliche Erhebungen zu Akzeptanz und Wahrnehmung durchgeführt.

Demoobjekte

Demoobjekt 1 – Söll, Tirol

Bei dem ersten Objekt handelt es sich um eine Filiale des Projektpartners MPREIS Warenvertriebs GmbH, die in Westösterreich rund 280 Supermärkte und Bistros betreibt. Potenziell geeignete Objekte wurden identifiziert und eine interne Voranalyse durchgeführt („Problemfilialen“, enormer Hitzeeintrag, großflächige Glasfassaden). Eine Liste von geeigneten Filialen wurde durch die Expert:innen des Konsortiums im Zielgebiet mit Synergiegebieten favorisiert und erstellt.
Als Demoobjekt wurde das Bistro der MPREIS Fialiale in Söll in Tirol als am geeignetsten identifiziert. Die eingeschoßige Filiale weist eine Bruttogeschoßfläche von 212 m² und südost- und nordwestseitig großflächige Glassfassaden auf. Für beide Flächen wurden eine GLASGrün-Beschattung vorgesehen.
Aufgrund der extremen Kostenentwicklung auf dem Baustoffsektor seit 2021 wurde von der Herstellung von Stahl-Pflanztrögen abgesehen, um den veranschlagten Kostenrahmen nicht zu überschreiten, und auf rein bodengebundene Begrünung zurückgegriffen. Der Variantencheck erfolgte gemeinsam mit GRÜNSTATTGRAU Fachexpert:innen bezüglich Kriterien wie Eignung der Pflanzen bezüglich Laubgrößen/Beschattungswirkung, Kletterform, Wuchshöhe, Wuchsverhalten etc.. Die Entwicklung der Rankgitter erfolgte durch das Architekturbüro RATAPLAN mittels parametrischen Designs. Das Resultat wurde dann auch im Hinblick auf die ästhetischen Anforderungen auch ohne Bewuchs bewertet und modifiziert. Die Maschenweite wurde auf die zur Anwendung kommenden Rankpflanzen abgestimmt. Auf der dahinterliegenden Seite (Nordwest) kamen großteils Gabionengitter als kostengünstigere Alternative zum Einsatz. In Abstimmung mit den allgemeinen Bauprozessen wurden die Vertikalbegrünungen mit 06/2022 für das Demoobjekt MPREIS Söll in Tirol fertiggestellt. Eine persönlich-mündliche Befragung von 99 Personen wurde 05/2023 vor der MPreis Filiale in 6306 Söll durchgeführt.

Pflanzenauswahl

  • Aristolochia macrophylla
  • Celastrus orbiculatus
  • Humulus lupulus
  • Parthenocissus vitacea
  • Wisteria floribunda
Demoobjekt 2 – Kreuzgasse, 1180 Wien

Die Installation von GLASGrün-Systemen am geplanten Neubauobjekt konnte nicht umgesetzt werden, da durch andauernde Verzögerungen der Behördenprozesse der Neubau nicht realisiert wurde. Daher wurden weitere Alternativstandorte von potenziellen Kooperationspartnern geprüft und ein Büroobjekt in der Kreuzgasse 74–76, Wien 1180, gefunden. Das Objekt wurde ur-
sprünglich als großzügiger Friseursalon konzipert, danach eine Zwischendecke eingezogen und nun als technisches Büro genutzt. Das Objekt ist nur über die oberste Geschoßdecke an die darüberliegende Wohnhausanlage verbunden und verfügt über eine 50 m² südlich ausgerichtete Glasfassade. Die höhere Belegung, fehlende Querlüftungsmöglichkeiten sowie nicht vorhandene außenliegende Beschattung führen trotz Klimatisierung und Kühldecke zu unangenehmen Arbeitsbedingungen. Zur Wahl stand nun eine konventionelle Außenbeschattung oder eine Beschattung durch Begrünung.
Das TB OBKIRCHER war sehr an einer begrünten Lösung interessiert und es konnte die Vertikalbegrünung 06/2023 bereits umgesetzt werden. Eine konstruktiv schlanke und einfach herzustellende Gesamtkonstruktion im Ausmaß von 9,5 m Länge, 8,2 m Höhe wurde hergestellt. Anders als in Söll wurde hier ein großmaschiges Raster von ca. 1x1 m gewählt. Dieser wird gebildet aus einer auf punktförmigen Betonfundamenten verankerten und an der Balkonplatte des Gebäudes rückgesicherten vertikalen Primärkonstruktion (Rundrohre Durchmesser 11,4 cm) und einer dahinter versetzten, linearen Sekundärkonstruktion aus Rundrohren mit Durchmesser 4,2 cm, die mit Gerüstrohrschellen befestigt sind.
Auch hier wurde eine bodengebundene Bepflanzung gewählt. Diese wurde mit ca. 30 cm hohen Stahlplatten eingefasst, um einerseits einen halböffentlichen Vorbereich vor dem Büroeingang zu ermöglichen und andererseits den Pflanzen einen geschützten Entwicklungsraum zu bieten. Die sozialwissenschaftliche Befragung erfolgt an vier Wochentagen (05/2023). Es wurden Passant:innen angesprochen, die an der Glasfassade des Architekturbüros vorbeigingen. 78 Fragebögen wurden vollständig ausgefüllt.

Pflanzenauswahl

  • Aristolochia macrophylla
  • Wisteria sinensis

Ergebnisse und Ausblick

Aus dem Projekt wird neben den Monitoring Daten, den sozialwissenschaftlichen Befragungen auch für beide Objekte eine Kosten-Nutzen-Bilanz und ein Leitfaden zum wirksamen Einsatz von Vertikalbegrünungen bei Gewerbegebäuden mit Glasflächen hervorgehen. Ein großes Augenmerk wird dabei unter anderem auf richtige Pflanzenwahl, Rankhilfen und die Erhaltungs- und Pflegemanagementkonzepte gelegt, um den gewünschten Begrünungseffekt langfristig zu erzielen. In der Praxis werden diese oft vernachlässigt oder zu spät ausgeführt, was in Folge zu Ausfällen oder Schäden führt.
Die ersten Ergebnisse am Standort Söll zeigen, dass bereits im ersten Jahr (Bepflanzung 06/2022 ) die vier Meter hohen Rankgitter überbewachsen wurden. Das Pflanzenbild ist noch lückenhaft, weist aber bereits Deckungsgrade von bis zu 80 % auf. An dicht bewachsenen Punkten konnte eine Reduktion der solaren Einstrahlung in den Sommermonaten (Periode 2023) um bis zu 80 % erzielt werden. Auf Basis dieser Daten können Verschattungsfaktoren ermittelt werden, die einen weiteren Grundstein für die Implementierung in energie- und bauphysikalische Berechnungssysteme liefern können. Für das Demoobjekt in Wien wird sich diesen Sommer weisen, ob ähnliche Erfolge erzielt werden können. Das Projekt endet im Oktober 2024. Insofern wäre es sinnvoll, die Projekte 2–3 Jahre weiter zu begleiten, nachdem die Messtechnik bereits vorhanden ist.

Projektbeteiligte

Projektkoordinator: Universität für Bodenkultur Wien
Projektpartner:
lichtblau.wagner architekten generalplaner zt gmbh,
RATAPLAN – Architektur ZT GmbH,
MPREIS Warenvertriebs GmbH,
TB Obkircher OG,
IBO – Österreichisches Institut für Bauen und Ökologie GmbH,
GrünStattGrau Forschungs- und Innovations-GmbH

Danksagung

Dieses Projekt wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie gefördert und im Rahmen des Programms Technologien und Innovationen für die Klimaneutrale Stadt 2022 durchgeführt.

Kontakt

Demoobjekt 1: Filiale des Projektpartners MPREIS Warenvertriebs GmbH – Söll, Tirol
Fotos ©: Thomas Wultsch
Demoobjekt 2: Büroobjekt in der Kreuzgasse 74–76,1180 Wien, Fotos ©: Thomas Wultsch