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Gebäude bewerten – viele Wege zu besseren Bauvorhaben

Vor rund 20 Jahren haben sich Gebäudebewertungssysteme etabliert. Anhand einiger Projekte der letzten Zeit werden die vielfältigen Maßnahmen für nachhaltiges Bauen in der Praxis gezeigt.

GebäudebewertungIBO ÖKOPASSklimaaktivÖGNB/TQB

Nicht nur international, auch in Österreich haben sich unterschiedliche, mehr oder weniger umfassende Zertifizierungssysteme etabliert. Und obwohl sich deren Anforderungen nicht exakt decken, haben sie eines gemeinsam: die Förderung von Maßnahmen zur Errichtung von nutzer*innen-freundlichen, ökologisch nachhaltigen und energieeffizienten Gebäuden.
2001 hat das IBO das Label ‚IBO ÖKOPASS‘ für Wohngebäude in Wien eingeführt, von Beginn an die klimaaktiv-Gebäudezertifizierung-Kataloge mitentwickelt und ist außerdem Mitinitiator der 2009 gegründeten Österreichischen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (ÖGNB) mit seinem ÖGNB-Gebäudebewertungssystem (vormals TQB – Total Quality Building). Neben diesen drei Zertifizierungssystemen führt das IBO auch Auditbegleitungen gemäß Green Building, LEED, BREEAM und ÖGNI durch.
Abgesehen von den zahlreichen Einzelprojekten, die das IBO im Lauf der letzten Jahre begleiten konnte, freuen wir uns besonders über die kontinuierliche Zusammenarbeit mit Bauträgern und Bauherren, die wir hier vorstellen wollen.

klimaaktiv: IST Austria – Institute for Science and Technology

Das IST Austria – eine Einrichtung zur naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung - wurde im Jahr 2009 eröffnet und bestand damals lediglich aus dem Hauptgebäude der ehemaligen Landesnervenklinik. Seitdem ist das Institut stetig gewachsen, mittlerweile beherbergt es neben einer Mehrzweckforschungshalle, Laboratorien und Verwaltungsgebäuden einen Kindergarten, eine Cafeteria und Apartments sowie diverse Freizeitanlagen wie Tennisplätze und ein Fußballfeld. Der campusartige Charakter des Geländes mit der Fläche von rund 180.000 m² trägt dazu bei, dass die Anlage von Menschen aller Altersgruppen und verschiedener Nationalitäten belebt wird. Verläuft alles nach Plan, werden 2026 insgesamt 1.000 Menschen auf dem Campus arbeiten und 90 Forschungsgruppen auf der täglichen Suche nach neuen wissenschaftlichen Methoden und Ergebnissen sein. Einige der auf dem Gelände bereits errichteten bzw. in Planung befindlichen Gebäude konnten vom IBO klimaaktiv-zertifiziert werden.
So zum Beispiel das 2013 errichtete Lab Building East sowie das 2017 fertiggestellte I07 – Administration Building, das mit 989 von 1000 Punkten Goldstatus erreichte. Es beherbergt primär Büros und Besprechungsräume und wurde als Passivhaus konzipiert. Niedrige Fensterparapete, individuell steuerbare Sonnenschutz-Schiebeelemente und Blendschutz erlauben ein Optimum an Tageslichtversorgung, Außensichtverbindungen und ausgezeichnete Bildschirm-Arbeitsplatzbedingungen.
Die Planungsdeklaration konnte für die Gebäude I23 – LAB5 und GradSchool (962/1000) und I24 – LAB6 (967/1000) abgeschlossen werden – beide erreichten ebenfalls Goldstatus. I23 umfasst Labors, einen angegliederten Lehrbereich (Graduate School) und eine Bibliothek mit Lernzonen. Bibliothek und Schule werden in Sommernächten mithilfe automatisch ansteuerbarer Öffnungsflügel schwerkraftgelüftet, zusätzlich wird das gesamte Gebäude über eine Lüftungsanlage mit hocheffizienter Wärmerückgewinnung mechanisch be- und entlüftet. Die Abwärme aus den Laborräumen wird zur Heizungszwecken rückgewonnen, bei niedrigen Außentemperaturen kann Wärme der vorhandenen EVN-Hackschnitzelheizung zugespeist werden. I24 beherbergt Lehr-, Lern- und Forschungsflächen für Life Science Labors, diverse Sonderlabore, Infrastruktur für Technik und Laborservice sowie Bürobereiche, ein Seminarzentrum und ein Parkdeck. Die Fertigstellung ist für 2021 geplant.
Ein weiteres Gebäude, das I08 – Visitor Center, befindet sich zurzeit in der Planungsdeklarationsphase. Für das mit rundem Grundriss und geschwungenem, transluzentem Glasdach geplante Objekt wird ebenfalls Goldstatus anvisiert.
https://ist.ac.at/de/campus/  

ÖGNB: Gebäude der ÖBB

Im Lauf der letzten Jahre wurden mehrere Gebäude der ÖBB mit dem ÖGNB-Tool der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (ÖGNB) ausgezeichnet. Das ist unter anderem deshalb erfreulich, weil die ÖBB-Immobilienmanagement GmbH mit ihren 193 Mio. m² die anlagen- und flächenmäßig größte Hausverwaltung Österreichs ist und damit auch große Vorbildwirkung hat. Anhand der vielfältigen Gebäudekategorien ist erkennbar, dass die ÖBB bei weitem nicht nur mit Bahnhofsgebäuden, sondern einer Reihe weiterer Bauaufgaben assoziiert werden kann.
Mit dem Güterterminal Wolfurt in Vorarlberg konnte 2018 ein sehr umfangreiches Projekt realisiert und zertifiziert werden. Dabei war es der ÖBB Infrastruktur AG als Bauherrin nicht nur wichtig, den bereits bestehenden Güterterminal zu erweitern, es sollte dabei der Nachhaltigkeit besonderes Augenmerk geschenkt werden. Die bestehenden Gleisanlagen wurden erweitert, die Abwicklung mit neuen Kränen modernisiert und effizienter gestaltet, zudem entstanden zwei neue Hochbauten: eine Werkstätte und das so genannte In-Gate – ein Bürogebäude mit Abfertigungs- und Dispositionsbereich für ankommende Lastkraftfahrzeuge zur logistischen Abwicklung. Es beherbergt einen Abfertigungsschalter, einen Warteraum für LKW-Lenker*innen sowie Büro-, Sozial-, Besprechungs-, Schulungs- und Technikräume. Um einige Highlights zu nennen: Nutzung von Geothermie und Solarenergie mittels Photovoltaikanlage am Gelände, ausgezeichnete thermische Gebäudehülle, kontrollierte Be- und Entlüftung, besonders effiziente Toranlagen, energieeffiziente Beleuchtung und Steuerung auf dem gesamten Gelände, erneuerbare Energien zum Betrieb der Kräne, wassersparende Versorgungssysteme, Smart-Metering-System, Einsatz von Recyclingbeton, Umsetzung eines Produktmanagements, optimierte Tageslichtversorgung mit Dachflächenfenstern und tageslichtlenkbare Verschattungssysteme wurden umgesetzt. Mit der Zertifizierung des Güterterminals Wolfurt wurden wichtige Weichen für die Zertifizierung weiterer Hochbauprojekte des Eisenbahnwesens und vergleichbarer Nutzungen gelegt.
Zwei weitere Beispiele für bereits fertiggestellte bzw. in Planung befindliche Gebäude sind der Bahnhof Lavanttal sowie das Anlagen Service Cente (ASC) Werndorf. Beide Anlagen sind Teil des Koralmbahn-Projektes, eines der bedeutendsten Verkehrsinfrastrukturprojekte Europas. Die Koralmbahn ist Teil der neuen Südstrecke und damit auch ein wichtiger Bestandteil des Baltisch-Adriatischen Korridors. Herzstück ist der 33 Kilometer lange Koralmtunnel, darüber hinaus entstehen an der neuen Hochleistungsstrecke aber auch 12 neue Bahnhöfe und Haltestellen, über 100 Brücken und Unterführungen sowie zahlreiche weitere Tunnelbauten.
In Werndorf ist abgesehen von einer Gleishalle und Rettungszugwerkstatt ein Betriebsgebäude geplant, die Planungszertifizierung dafür wird gerade durchgeführt.
Ein weiteres ASC als Teil des Semmering-Basistunnels ist in Gloggnitz geplant, dessen Fertigstellung 2023 erfolgen soll.
Das Betriebsgebäude des Güterzentrums Inzersdorf im Süden Wiens konnte 2019 zertifiziert werden. Es beinhaltet Büro-, Aufenthalts- und Garderoberäumlichkeiten für das gleisbezogene Betriebspersonal, wurde in Massivholzbauweise errichtet, die Raumwärme wird über eine Geothermieanlage bereitgestellt.
Heuer planungszertifiziert wurde das Lehrlingsheim St. Pölten, das 72 Lehrlingen der ÖBB Unterkunft bietet.
Je früher Zertifizierende in den Planungsprozess mit eingebunden werden, desto größer sind die Möglichkeiten zur Weichenstellung und Nachhaltigkeitsoptimierung. Diese Einbeziehung erfolgt bei ÖBB-Projekten stets sehr früh, weshalb die Gebäude sehr gut optimiert werden können.
https://holding.oebb.at/  

IBO ÖKOPASS: ARWAG

Der IBO ÖKOPASS bewertet die bauökologischen und baubiologischen Eigenschaften von vorwiegend in Wien errichteten Wohnanlagen. Kund*innen werden damit über die Qualitäten ihrer zukünftigen Wohnung besser und umfassender informiert. Dafür verlieh die Stadt Wien dem IBO ÖKOPASS 2002 den „ÖkobusinessPlan Wien Award“ in der Kategorie „Kommunikation“. Denn die Ergebnisse durchgeführter Gebäudebewertungen stehen, anders als beim IBO ÖKOPASS, öffentlich zumeist nicht zur Verfügung. Die Bewertung des IBO ÖKOPASS ist auf 19 Seiten im Detail für jedes Projekt beschrieben und bietet damit Entscheidungsgrundlagen, basierend auf Messergebnissen. Das führt zu mündigeren Konsument*innen, ein Anliegen, das das IBO auch mit den Produktprüfungen schon seit langem vertritt.
In den vergangenen 5 Jahren konnten insgesamt 89 Projekte mit 10.394 Wohneinheiten von 23 Bauträgern IBO ÖKOPASS-zertifiziert werden. Vor allem die Wohnprojekte der ARWAG Bauträger GmbH zeichnen sich durch hochwertige Ausstattung und individuelle Freibereiche aus.
Das Leistungsspektrum der ARWAG Holding AG reicht von der Projektentwicklung, Planung, Baumanagement sowie der Baudurchführung bis hin zur Vermietung und Verkauf, Verwaltung und Hausbetreuung. Besonderes Augenmerk legt das Unternehmen auf Ökologie und Leistbarkeit. Als „Full-Service-Bauträger“ ist es der ARWAG ein großes Anliegen, die Ausstattungsqualitäten ihrer Bauten von externen Spezialist*innen mit den entsprechenden Messmethoden zu zertifizieren bzw. objektiv zu begutachten, weswegen seit 2012 bereits mehrere Tausend Wohneinheiten nach den Kriterien des IBO ÖKOPASS geprüft wurden.
https://www.ibo.at/gebaeudebewertung/ibo-oekopass/
https://www.arwag.at/

Gleis 21 – doppelt hält besser

Sowohl ÖGNB- als auch klimaaktiv-zertifiziert ist das Baugruppenprojekt Gleis 21 in Wien 10. Geplant wurde das Wohngebäude von dem Büro einszueins architektur, das sich auf Baugruppen, Partizipation und kooperative Stadtplanung spezialisiert hat und schon einige derartige Projekte realisieren konnte. Was Gleis 21 besonders auszeichnet, sind die modulare Gestaltung der Grundrisse, die eine hohe Flexibilität und damit Anpassung an familiäre Elastizität erlaubt und die gemeinschaftlich gestalteten und nutzbaren Erd- und Dachgeschoßzonen, die teilweise allen Bewoh-ner*innen des Quartiers zur Verfügung stehen. Sehr gut punkten konnte das Gebäude auch durch die Materialwahl: die Decken sind in Hybridbauweise aus Beton und KLH ausgeführt, die Außenwände wurden aus vorgefertigten Holzkastenelementen, die Wohnungstrennwände aus KLH hergestellt. Durch die frühe Einbindung der künftigen Bewohner*innen konnten vom Architektenteam Lösungen entwickelt werden, die sowohl den Vorstellungen der jeweiligen Nutzer*innen entsprachen, als auch genug Offenheit für spätere Nutzung durch andere Bewohner*innen zulassen.
https://gleis21.wien/

Das Lab Building East in Klosterneuburg erreichte 940 Punkte und wurde mit klimaaktiv Gold ausgezeichnet.
© Tobias Waltjen
895 von 1000 ÖGNB-Punkten für das Betriebsgebäude des ÖBB Güterzentrums Inzersdorf.
© ÖBB Infrastruktur AG
Wohnhausanlage des Bauträgers ARWAG in der Wagramer Straße 224b, ausgezeichnet mit dem IBO ÖKOPASS.
© Isabella Dornigg
Das Baugruppenprojekt Gleis 21 im Sonnwendviertel ist ÖGNB- und klimaaktiv-zertifiziert.
© Enzberg