Skip to main content

Ein Blick über den Tellerrand
Im Projekt KLIMADEMO Vis-à-Vis soll ein klimaneutrales Gebäude errichtet werden.

Partner*innen des Forschungsprojektes durften Anfang Oktober im Süden Deutschlands Projekte mit dem Schwerpunkt Klimaneutralität besuchen. Das im Stadtentwicklungsgebiet Village im Dritten partizipativ entwickelte und geplante Gebäude Vis-à-Vis soll als role model aufzeigen, wie künftig weitgehend klimaneutrale Projekte mit der Schaffung von leistbarem Wohnraum in Einklang gebracht werden können.

ForschungKreislauffähigkeitExkursion

Die Latte liegt hoch – beträgt doch der Anteil des Gebäudesektors an den globalen Treibhausgasemissionen rund 40 % [1]. Dazu gehören sowohl die Errichtung als auch der Betrieb von Gebäuden. Um die bis 2040 geforderte Klimaneutralität zu erreichen, ist die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes – von der standortangepassten Planung über die Auswahl der Baustoffe, die Minimierung der Betriebsenergie bis zum Rückbau – unabdingbar. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass je nach Gebäude-Effizienzklasse bereits die Errichtung bis zu 50% der Gebäudeemissionen über den gesamten Lebenszyklus ausmachen.

Der Blick über den Tellerrand ermöglicht es, Strategien der Kommunen zu Förderung nachhaltiger Bauweisen, unterschiedliche Betrachtungsweisen der Ökobilanzierung von Gebäuden sowie Baugruppenkonzepte kennenzulernen. Einen theoretischen Input dazu erhielten wir bei Transsolar, einem seit über 20 Jahren auf die Erstellung zukunftsfähiger Energiekonzepte und ganzheitlicher Lösungen spezialisierten Ingenieurbüro.

Die größte Holzbausiedlung Deutschlands

Die ökologische Mustersiedlung im Prinz Eugen Park in München ist Teil eines rund 30 Hektar großen Areals, das nun sukzessive bebaut wird. Bei der Mustersiedlung mit rund 450 Wohneinheiten wurde der Einsatz von Nawaros (nachwachsende Rohstoffe) mit 2 € pro kg gefördert – bei einem Nawaro-Anteil von durchschnittlich 120-200 kg/m² NGF konnten so 13.000 Tonnen CO2 langfristig gespeichert werden. Das verbaute Holz musste regional gewonnen und zertifiziert sein. Realisiert wurden die Wohnhäuser von Baugemeinschaften, Genossenschaften, städtischen und freien Bauträgern – entsprechend gemischt ist das Angebot an Wohnungen.

Aus dem Projekt hervorgegangen ist GeQo – eine Genossenschaft für Quartiersorganisation. Mitglieder der GeQo verwalten die im Quartier vorhandenen Gemeinschaftsräume, betreiben das Quartierscafe und die Mobilitätsstation und bieten mit diversen Veranstaltungen sowie der Quartierszeitung Vernetzungsmöglichkeiten sowohl für die Bewohner*innen des Prinz Eugen Parks als auch für Besucher*innen. Seit 2019 wird GeQo in einem Pilotprojekt vom Sozialreferat der Stadt München bezuschusst. 

Stuttgarts Holzbaukasten

Einen Schritt weiter im Holzbau ging die Baugruppe MaxAcht in Stuttgart: das hier verbaute Holz ist komplett leimfrei und kann zerstörungsfrei rückgebaut werden. Der Stiegenhauskern wurde in Sichtbetonbauweise ausgeführt, Wände und Decken in den Wohnungen sind holzsichtig. Auf Bodenbelag wurde verzichtet, die Bewohner*innen konnten je nach Wunsch unterschiedliche Estrichbehandlungen auswählen. Die dadurch sichtbare Materialität besticht nicht nur durch ihre Klarheit, sondern ermöglicht eine einfache Trennung beim Rückbau des Gebäudes.

Durch Reduktion obsoleter Gangflächen in den Wohnungen konnte Fläche gewonnen werden, die zur Errichtung eines Gemeinschaftsbereiches für gemeinsame Events, homeschooling, als Quartierstreffpunkt oder kurzfristiger Unterschlupf für Wohnungssuchende genutzt wird.

Fokus nachhaltige Energieversorgung

Im Klimaquartier Neue Weststadt nahe Stuttgart wurde der Fokus auf das energetische Versorgungskonzept in der Nutzungsphase gelegt. In der Energiezentrale bildet ein Elektrolyseur das Herzstück, der überschüssigen Strom aus erneuerbaren Erzeugungsanlagen in Wasserstoff umwandelt und die Energie auf diese Weise speicherfähig macht. Der dafür benötigte Strom stammt aus den auf den Flachdächern der Siedlungsgebäude angebrachten Photovoltaik-Anlagen. Ziel ist, die CO2-Emissionen pro Person und Jahr für Wohnen und Mobilität auf max. eine Tonne zu reduzieren. Die Quartierserrichtung ist voraussichtlich im Jahr 2023 abgeschlossen – ein Monitoring nach Fertigstellung wird aufzeigen, inwieweit das Ziel erreicht werden kann.  

Um die CO2-Emissionen zu reduzieren und die damit einhergehenden klimatischen Veränderungen zu verringern, wäre wohl die beste Strategie, gar nicht neu zu bauen. Wenn wir doch bauen, so müssen wir neben dem Einsatz nachwachsender, regionaler Baustoffe und der Bereitstellung regenerativer Energieformen für den Gebäudebetrieb dafür sorgen, dass die Gebäude lange nutzbar bleiben. Am Ende ihres Lebenszyklus müssen sie nachfolgenden Generationen als Ressourcenlager für neue, zukünftige Aufgaben zur Verfügung stehen.

Die Beispiele aus Süddeutschland zeigen sehr deutlich, dass einerseits die Ansätze vielfältig sind und andererseits der Begriff der Klimaneutralität – ein neues Schlagwort – Projektionsfläche ist für Versuche, die Geschwindigkeit und Härte des Klimawandels abzumildern.

Einigkeit, was Klimaneutralität ist, herrscht noch lange nicht – das Projekt Vis-à-Vis wird uns aber zeigen, welche Maßnahmen heute in Wien in einem sozialen Wohnbau realisierbar sind.


[1] Jones K, Stegemann J, Sykes J, Winslow P. 2016. Adoption of unconventional approaches in construction: The case of cross-laminated timber. Constr. Build. Mater. 125, 690–702 https://doi.org/10.1016/j.conbuildmat.2016.08.088

Contact

Wohngebäude in der ökologischen Mustersiedlung im Prinz Eugen Park / München
Team des Forschungsprojektes in der ökologischen Mustersiedlung im Prinz Eugen Park / München
Holzdecke, Estrich und Stiegenhaus-Stahlbetonwand in einer Küche von MaxAcht
MaxAcht auf dem Olga-Areal in Stuttgart