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Projekt SC- Mikroquartiere

Modellierung verschiedener Nachverdichtungsszenarien und Optimierung bezüglich erneuerbarer Energieversorgung und der Lebensqualität der NutzerInnen

ArchitekturBaustoffe und BauteileSmart CityKongress/Symposion/MesseForschung

Abstract

Urban planning is a very complex task with many facets and conditions. Because of the lack of resources many opportunities are often left unrecognized and therefore unused. The research project “Smart City micro quarters” has the goal of simply and quickly exploring the potentials (regarding densification, efficiency, use of renewable energies, etc.) of urban renewal of a city area and thus making city planning viable and capable of action. By means of this method the improvement potentials of a district, in terms of ecological, social, economic and urban planning criteria can be determined with little financial and temporal effort..

Zusammenfassung

Stadtplanung ist ein sehr komplexer Aufgabenbereich mit zahlreichen Facetten und Bedingungen. Aufgrund fehlender Ressourcen und zu geringer Transparenz bleiben im Planungsalltag Chancen und Möglichkeiten, einen Stadtteil zukunftsfähig zu gestalten, unerkannt und folglich auch ungenutzt. Das Forschungsprojekt „Smart City Mikroquartiere“ hat sich zum Ziel gesetzt, einfach und schnell die Potenziale (hinsichtlich Nachverdichtung, Energieeffizienz, Einsatz erneuerbarer Energien, etc.) einer städtebaulichen Erneuerung eines Stadtareals auszuloten und damit die Stadtplanung zukunfts- und handlungsfähig zu machen. Durch diese Methode sollen die Stadtentwickler mit geringem finanziellen und zeitlichen Aufwand in die Lage versetzt werden, die Verbesserungspotenziale eines Stadtquartiers in Bezug auf energetische, ökologische, gesellschaftliche, ökonomische und städtebauliche Kriterien abschätzen und in der Folge fundiert handeln zu können.

Zu den Kernergebnissen des Projekts zählen:

  • Detaillierte Smart City Indikatoren für Mikro- und Stadtquartiere
  • Mikroquartiers-Modelle und eine Handlungsanleitung für die Optimierung in Bezug auf Nachverdichtung, Energieeffizienz, Erneuerbare Energie, deren Speicherung, Energienetze und Qualität der öffentlichen Räume
  • Kompakte Darstellung der Ergebnisse auf Mikroquartiersebene für Stadtplanung, AnwohnerInnen, Politik, Projektentwicklung etc.

Problematik und Ausgangssituation

Um dem knappen Wohnraum und einer rasch voranschreitenden Zersiedelung in Städten und ihrem Umland entgegenzutreten, ist eine Nachverdichtung der Bestandssiedlungen in Teilen des ländlichen und vor allem dem urbanen Raum unabdingbar. Eine horizontale Verdichtung erhöht die Flächenversiegelung, Teile der Vegetation und sonstige Freiräume gehen verloren. Eine vertikale Nachverdichtung kann zu erhöhter Verschattung und damit einhergehend zu einer schlechteren Besonnungssituation für Bestandsräume und  Nachbarn führen. Wird eine Nachverdichtung in Angriff genommen, führt eine Maximierung aus ökonomischen Gründen häufig zu Widerstand bei Anwohnern. Wie könnte aber eine maßvolle Innenverdichtung aussehen, die auf eine breite Akzeptanz trifft, indem die subjektiv empfundene Lebensqualität im Idealfall steigt und gleichzeitig das Klima geschont wird?

Methodik

Im Projekt SC- Mikroquartiere werden Möglichkeiten der Stadtplanung für eine quartiersweise Entwicklung hin zu einer Low-Carbon City mit hoher Lebensqualität aufgezeigt. Dazu werden Stadtareale in Mikroquartiere (MQ) abstrahiert. Diese beinhalten die gesamte städtebauliche Genetik, die ein Stadtquartier prägen, wie z.B. typische Straßenquerschnitte, Qualitäten des öffentlichen Raums, Baustruktur (Entstehungszeit der Gebäude, Bauweise, Nutzung, Dimension, Materialität, etc.), Bauabstände und die technische sowie soziale Infrastruktur.
Die zum Einsatz kommenden Mikroquartiere sind den Bautypologien Blockrand-, Zeilen- und Einfamilienhaussiedlung zuzuordnen und müssen für jeden Standort angepasst werden, da es zu lokalen Spezifika z.B. der jeweiligen Gebäudehöhe, Gebäudeabstände, usw. kommt. In untenstehender Abbildung sind die Basis- Mikroquartiere exemplarisch für einen betrachteten Standort dargestellt. Die Einfamilienhaussiedlung ist dabei in die Typen EFH einzeln und EFH Blockrand unterteilt.

Für jedes Mikroquartier werden Varianten der Optimierung (das bedeutet nicht zwangsläufig für jeden Standort eine Nachverdichtung) entwickelt. Pro Mikroquartier steht ein Pool aus bis zu 20 baulichen Varianten zur Verfügung, die analysiert und untersucht werden. In nachfolgender Abbildung sind exemplarisch vier Möglichkeiten der Innenverdichtung des MQ „Block“ vorgestellt.
Durch Multiplikation der jeweiligen Mikroquartiere können Stadtareale zusammengesetzt werden. In Abbildung 3 ist demonstriert, wie ein ausgewähltes Areal aus den drei MQ- Grundtypen zusammengesetzt wird.

Da es derzeit auf dem Markt keine Simulationssoftware gibt, die alle erwünschten energetischen und Lebensqualitätsparameter auf MQ- Ebene ausgibt, werden unterschiedliche softwarebasierte Simulationswerkzeuge eingesetzt. Die MQ-Varianten sind in SketchUp gezeichnet und die Simulationstools sollten – um den Arbeitsaufwand zu begrenzen – mit diesem Format kompatibel sein.
Die Simulationsergebnisse zeigen die Auswirkungen unterschiedlicher Nachverdichtungsszenarien auf den resultierenden Energiebedarf, die untersuchten Lebensqualitätsparameter und das lokale Potential an erneuerbarer Energieerzeugung auf.
Die Energiebedarfe eines Längs- und eines Eckgebäudes im Mikroquartier werden durch thermische Simulationen mit einem TRNSYS Mehrzonenmodell ermittelt. Dabei werden unterschiedliche Baustandards (Bestand, OIB Mindestanforderungen und Passiv-hausstandard) sowie vier verschiedene Orientierungen berücksichtigt. Die Hochrechnung des Energiebedarfs für das gesamte Mikroquartier erfolgt durch Hochrechnung über die BGF.
Das lokal zur Verfügung stehende erneuerbare Erzeugungspotential (Solarthermie, Photovoltaik, Erdwärme/kälte, Grundwasserwärme/kälte, Außenluft etc.) wird in verschiedenen Varianten simuliert und dem jeweiligen Energiebedarf gegenübergestellt. Das aktive solare Potential wird in zwei Varianten betrachtet, von Standard Dach bis maximal, d.h. inklusive Vordächer und geeigneten Fassaden. Die kumulierte solare Einstrahlung auf die unterschiedlichen Flächen eines MQ sind in Abbildung 4 für ein Jahr dargestellt.

Varianten der Bedarfsberechnungen und das Deckungspotential an Erneuerbaren Energien sind in Abbildung 5 dargestellt. Dadurch können für die unterschiedlichen Varianten Aussagen zu den erzielbaren Energie-Autonomiegraden getroffen werden.

Die Bestimmung der Lebensqualität setzt sich aus mehreren Bereichen zusammen. Mittels Simulation kann der Bereich Tageslichtsituation und Anzahl der Stunden mit direkter Besonnung für das betrachtete Mikroquartier, bzw. kritische Gebäude, beurteilt werden. Die Abbildung 6 zeigt die Veränderung der Tageslichtsituation zwischen Bestand (links) und der nachverdichteten Variante (rechts). Durch eine Vergrößerung der Glasflächen und anderen Grundrissen könnte eine Verbesserung erzielt werden.
Die einzelnen Varianten werden zusätzlich primärenergetisch (Betrieb und Gesamt) und anhand der Lebenszykluskosten bewertet. Die Ergebnisse fließen in ein Mikroquartier- Indikatoren Set ein (ca. 100 Indikatoren), das eine umfassende Vergleichbarkeit der Nachverdichtungsvarianten ermöglicht.

Eingesetzte Simulationstools

  • Sefaira Plugin für Sketchup Modelle zur Tageslichtbewertung und direkte Besonnungsdauer
  • PVsites für dynamische Strahlungswerte, potenzielle PV/ST-Flächen und resultierende Energieerträge
  • TRNSYS Mehrzonenmodell: Auf der Grundlage Nutzungsprofile und Einstrahlung werden Bedarfs- und Deckungsprofile berechnet.
  • Ecosoft und Lekoecos für Ökobilanz der Gebäude und variablen Bestandteile der Quartiere (Primärenergieinhalt und Global warming potential (GWP))

Ergebnisse

Als zentrales Ergebnis werden für den jeweiligen Standort die idealen Varianten ermittelt.
Es entstehen Modelle und eine Handlungsanleitung für energie-optimierte Mikroquartiere in Bezug auf Nachverdichtung, Energieeffizienz, Einsatz erneuerbarer Energien und Lebensqualität. Dazu wird ein Arbeitsablauf vorgeschlagen, der bereits in der Konzeptphase einer Quartiers/ Energieraum- Planung mit aufeinander abgestimmter Simulationstools die Auswirkungen von Nachverdichtungsvarianten auf den Energiebedarf, die Möglichkeiten der erneuerbaren Energieerzeugung und Lebensqualitätsparameter bestimmen. Diese werden durch Smart City Indikatoren auf Mikro- und Stadtquartiersebene transparent abgebildet und dadurch unterschiedliche Varianten miteinander vergleichbar. Die Verdichtung der ca. 100 Indikatoren in 23 wesentliche Indikatoren werden in einem Sonnendiagramm grafisch aufbereitet. Dadurch werden die Stärken der jeweiligen Variante ersichtlich. In den nachfolgenden zwei Abbildungen ist das Basis Mikroquartier „Block“ vor und nach der Nachverdichtung mit den begleitenden Maßnahmen dargestellt. Wie deutlich wird, verbessern sich eine Vielzahl der Indikatoren, wobei in diesem Fall ein Parameter, die visuelle Qualität, ungünstiger abschneidet.     

Stadtareale

Die im Projekt entwickelte Methode wird auf real existierende Stadtquartiere angewandt. Durch Workshops mit Vertretern der Partnerstädte wird die Methode abgestimmt und praxistauglich gemacht. Partnerstädte, die das Forschungsprojekt unterstützen, sind Baden, Bruck an der Leitha, Graz, Korneuburg und Linz.

Projektpartner und Hauptaufgabenbereiche

  • IBO– Österreichisches Institut für Bauen und Ökologie GmbH, Lebenszyklusanalyse, Indikatoren
  • Kleboth & Dollnig, Entwürfe zu Bestand- und Nachverdichtung, Wirtschaftlichkeit
  • FH Technikum Wien, Potentialanalyse Erneuerbare Energien, Bedarfshochrechnungen und Simulationen
  • TU Wien, Energy Economics Group, Energiekonzept auf Arealebene
  • Umweltbundesamt GmbH, Mobilitäts- Szenarien und Simulationen (Agentenmodell)

Autoren:
Jens Leibold, IBO; Thomas Zelger, FH Technikum Wien

 

IBO ist Mitglied der ACR - Austrian Cooperative Research, einem Netzwerk von 18 außeruniversitären Forschungsinstituten, die angewandte Forschung und Entwicklung für Unternehmen, speziell für KMU, betreiben. www.acr.ac.at

Abb. 1: Betrachtete Mikroquartier-Typologien, Blockrand (rot), Zeile (blau), Einfamilienhaus einzeln (gelb) und Einfamilienhaus Blockrand (orange)
Abb. 2: Nachverdichtungsvarianten am Beispiel Mikroquartier „Block“
Abb. 3: Aufbau eines Areals aus unterschiedlichen Mikroquartieren
Abb. 4: Solares Potential des Mikroquartiers. (Simulationsergebnisse PVsites)
Abb. 5: Varianten Endenergiebedarf und Deckungsszenarien für MQ Blockrand
Abb. 6: Simulation des Tageslichtfaktors für das Bestandsgebäude (links) und der nachverdichteten Variante (rechts)
Abb. 7: Grafische Bewertung Bestand (oben) und Nachverdichtungsvariante „Zahn“ (unten) für Basis-MQ „Block“