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Sanierung und Erweiterung des Justizgebäudes Salzburg
Bauökologische Begleitung und Zertifizierung

Nach den erfolgreich umgesetzten klimaaktiv Neubauprojekten Justizanstalt Salzburg-Puch und Justizzentrum in Korneuburg, das wegweisend in Passivhausqualität errichtet wurde, konnte das IBO seine Kompetenz in der bauökologischen Begleitung und in der Zertifizierung von sensibler Bausubstanz in historischem Ambiente (unter den erschwerten Bedingungen des Denkmalschutzes) bei diesem Projekt unter Beweis stellen.

MaterialökologieBauproduktmanagement

Das Justizgebäude Salzburg umfasst gleich zwei klimaschonende Vorzeigeprojekte: Erstens wurde das denkmalgeschützte, bestehende Gebäude nach höchsten energetischen und ökologischen Standards umgebaut und saniert. Zweitens wurde das Gebäude durch einen modernen Neubau erweitert, der die historischen Gebäudetrakte miteinander verbindet. Das Projekt wurde vom Wiener Architekturbüro Franz&Sue geplant und unter der Bauherrschaft der BIG (Bundesimmobiliengesellschaft) umgesetzt.
Am Rande der Altstadt gelegen, direkt in der Achse der Nonntalbrücke, erforderte der späthistorische, 1909 errichtete Koloss mit Zubauten aus den 1970er-Jahren ein radikales Vorgehen. Der damalige Architekt Alexander von Wielemann hatte sich nach dem Gewinn des Wettbewerbs für den Wiener Justizpalast zu einem Spezialisten für Gerichtsgebäude entwickelt. Nach Graz, Brünn und Olmütz war das Justizgebäude in Salzburg sein letzter Großauftrag. Zeitgenossen empfanden den Bau mit der 120 m langen Front am Flussufer als künstlerisch nicht zeitgemäß und außerdem wurde mit dem großen Gebäudekomplex der Blick auf den Nonnberg verstellt.
Erst als klar war, dass die Unübersichtlichkeit nur durch einen Abriss der Hofgebäude und der chronische Platzmangel durch Absiedlung der Häftlinge in die neue Justizanstalt in Puch behoben werden kann, wurden in einem EU-weiten Verfahren Vorschläge für die Neugestaltung generiert. 2012 gewann den Wettbewerb das Architekturbüro Sue, das seine Herangehensweise so beschreibt:
„Früher hatte ein Gerichtsgebäude die Majestät des Rechts auszustrahlen ... der Bürger als Strafgefangener sollte tunlichst versteckt werden ..."
Wir haben mit diesem überkommenen Verständnis von Justiz gebrochen und das Justizgebäude Salzburg mit einem offenen, transparenten und niederschwelligen Konzept in das 21. Jahrhundert überführt. Wir haben den denkmalgeschützten Palast aus dem 19. Jahrhundert geöffnet, die Gefängniszellen der Siebzigerjahre aufgebrochen und das kafkaeske Labyrinth, in dem sich die BesucherInnen nur verirrten, beseitigt. Jetzt öffnet sich ein markantes Justizzentrum nach allen Seiten zur Stadt: Mit seinen Innenhöfen kann es von PassantInnen betreten und bestaunt werden. Transparent und offen, so wie wir uns auch die Gerichtsbarkeit in einer Demokratie vorstellen.“
Die Bauherrin BIG hat sich Nachhaltigkeit auf ihre Fahnen geheftet. Die Wesentlichkeitsmatrix des Unternehmens verortet Lebenszykluskostenbetrachtung, Energieeffizienz in Bau und Betrieb von Immobilien, gesunde Raumluft und ökologische Baustoffe als hochprioritäre Handlungsfelder. Damit trifft sich die Strategie der BIG mit dem KnowHow des IBO.

HBP (Holistic Building Program) der BIG

Für das Justizgebäude Salzburg wurde der BIG interne Standard „Holistic Building Program“ umgesetzt. Dieses Konzept beinhaltet bedarfsgerechtes, wirtschaftliches, ressourcenschonendes, ökologisches und soziokulturelles Bauen mit ganzheitlichem Ansatz unter Berücksichtigung der Kontinuität von Gesamtprozessen und Einbeziehung aller Beteiligten. Ein Instrument ist die Lebenszykluskostenberechnung, die als Entscheidungsgrundlage für nachhaltige Gebäude dient.
Ein weiterer Themenpunkt des HBP ist die Verwendung schadstoffarmer Produkte und optimales Raumklima, ein wesentliches Element auch anderer Gebäudebewertungssysteme. Das IBO hat mit seiner besonderen Expertise durch die Begleitung mit einem Bauproduktmanagement zur Optimierung des Einsatzes emissions- und schadstoffarmer Bauprodukte beigetragen.
Von Baubeginn im Sommer 2015 bis zur Fertigstellung im Herbst 2018 wurden Massen bewegt: 25.000 m3 Abbruchmaterial und 15.000 m3 Aushub mussten abtransportiert werden, berichtete Franz Wechselberger von der BIG. Neu verbaut wurden 7300 m3 Beton. Angesichts solcher Mengen scheinen die Materialien des Innenausbaus, seien es die Fußböden, die Wandfarben oder die Klebstoffe nicht ins Gewicht zu fallen, jedoch sind es gerade diese Materialien, die großen Einfluss auf die Qualität der Raumluft haben.
In der Praxis werden die Absichten des Bauherren in Pflichtenheften und Bauteillisten in der Planung berücksichtigt, im Detail müssen Anforderungen an emissionsarme Wandfarben oder schadstoffarme Fugenmassen jedoch spätestens in den Ausschreibungen ausformuliert werden. Was noch lange nicht heißt, dass diese Vorgaben auf der Baustelle beachtet werden. Denn die, die dann auf der Baustelle betonieren, Fenster einbauen oder Türen lackieren, wissen vom Willen des Bauherren, nachhaltige Bauprodukte einzusetzen, meist nichts. Deswegen müssen die Bauprodukte von den Ausführenden vor Baubeginn an die Fachkonsulenten des Bauproduktmanagements gemeldet werden. Falls Produkte mit sogenannten KMR-Stoffen (Kanzerogen, mutagen, reproduktionstoxisch) oder anderen umwelt- oder gesundheitsbeeinträchtigenden Substanzen eingereicht werden, findet das IBO in den meisten Fällen unbedenklichere, technisch geeignete Produkte.
Mithilfe des wachsamen Bauleiters und der Baustellenkontrollen konnten auch bei diesem Bau hohe Qualitätsansprüche von der Planung bis zur Ausführung gehalten werden. Damit werden emissionsarme Produkte v.a. im Innenraum verwendet, PVC vermieden und der Einsatz von recyclierten oder wiederverwerteten bzw. wiederverwendeten sowie umweltzertifizierten Bauprodukten gefördert. Die Raumluftmessungen ergaben letztlich auch sehr niedrige Werte und die neuen Räume werden beste Arbeitsbedingungen bieten.

Das Gebäude im klimaaktiv Standard

Neben Beratungsleistungen für das Holistic Building Program hat das IBO die Bauherren bei der klimaaktiv Deklaration des Projekts beraten, umfassend begleitet und erfolgreich zur Zertifizierung in Gold für den denkmalgeschützten Teil geführt. Der als Y in die alte Baustruktur integrierte Neubauteil konnte in Silber zertifiziert werden. Bewertung und Qualitätssicherung von Gebäuden in klimaaktiv Qualität erfolgen nach einem 1.000­ Punktesystem. Die Kriterien sind in vier Bewertungskategorien gegliedert, bei deren Gewichtung die Kategorie Energie und Versorgung eine zentrale Rolle einnimmt. Ziel ist es, Energiebedarf und Schadstoffemissionen bei Planung und Betrieb von Gebäuden deutlich zu reduzieren. Das Justizgebäude wurde Objekt des Monats im Jänner 2019.
Dieser Um- und Neubau zeigt, dass auch aufwändige Baustellen nachhaltig abgewickelt werden können, wenn engagierte Bauherren, kompetente ArchitektInnen, Bauleiter mit starken Nerven und Fachkonsulenten, die ihr Fach verstehen, strukturiert zusammenarbeiten.

Projektteam

Bauherr: BIG Bundesimmobiliengesellschaft MBH, UB Spezialimmobilien
Architektur: Franz und Sue ZT GmbH
Bauphysik: KPPK Ziviltechniker GmbH
Haustechnik: Zentraplan Planungsges.m.b.H.
Produktmanagement: IBO GmbH

Forschungszeitraum

Juli 2019 –

Kontakt

© Andreas Krenauer
© Lucas Schaller
© Lucas Schaller