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Transformationen – wandelbarer Lehm

Lehm ist ein altbekannter Baustoff, der in immer wieder neuer Ausprägung in Alt- und Neubauten verwendet wird. Als Naturprodukt ist er kaum normierbar, aber z.B. mit den Lehmbauregeln bautechnisch korrekt einsetzbar. Am Beispiel einiger Projekte des Planers Andi Breuss wird die Vielfältigkeit von Lehm als Wand, Putz, Estrich oder Boden sichtbar.

Materialökologie

Dass Lehm ein Paradebeispiel für ein ökologisches Material ist, wissen wohl alle, die sich auch nur ein wenig mit der Materie beschäftigen: Keine energieaufwändigen Produktionsprozesse, weil nichts gebrannt werden muss, im Idealfall kaum Transporte, weil der Aushub vor Ort verarbeitet wird, keine synthetische Vergütungen nötig, keine Kennzeichnungspflicht als Gefahrenstoff und in der Entsorgung denkbar einfach.

Zwar ist der Lehm seit Jahrhunderten als Baumaterial bewährt, jedoch ist angesichts neuerer Bautechniken viel Wissen um die richtige Verarbeitung verloren gegangen. Auch für Berechnungen für Bauphysik und Statik lässt sich dieses Naturprodukt nicht so einfach bemessen. So ist trotz wachsender Zahl der Anbieter der Lehmbau immer noch ein Nischenprodukt. Umso schöner, wenn wir mit den Lehmbauprojekten von Andi Breuss sehen, dass zeitgemäße Anforderungen wie Luftdichtheit und Feuchtemanagement auch ohne Folien in Alt- und Neubau funktionieren können.

Die Sanierung alter Lehmhäuser ist eine besondere Herausforderung, soll doch die gesunde Bausubstanz erhalten werden und gleichzeitig heutige Bedürfnisse befriedigt werden. Viel Licht und großzügige Räume, Verschmelzung mit dem Außenraum, am besten ferngesteuerte Heizsysteme und natürlich Wasser im Haus sind Kennzeichen moderner Wohnansprüche. Da heißt es behutsam mit dem Vorhandenen umgehen. So werden dicke Lehmwände mit Lehmputz instandgesetzt, Dämmung gibt es aus Stroh auf dem Dachboden und aus Schaumglasschotter unter dem Fußboden.

Kann das bauphysikalisch funktionieren?

Wahrscheinlich, aber wer auf der (vermeintlich)sicheren Seite sein möchte, wird so nicht bauen. Kaum ein Bauphysiker wird das Risiko eingehen, geklagt zu werden. BauherrInnen mit Hausverstand und Vertrauen in die langjährige Erfahrung ihres Planers sind also nötig.

Die Aufbauten müssen zur Gänze diffusionsoffen sein. Daher werden die Bodenbretter nur geseift, nicht einmal geölt, die Randfugen offen gelassen – so soll sichergestellt werden, dass eventuell aus dem Untergrund aufsteigende Feuchte abtransportiert werden kann. Die in der Luft enthaltene Feuchtigkeit sollte durch die dicken Lehmwände, verputzt und gestrichen mit Lehm, am besten nicht weiter beschichtet, aufgenommen werden.

Der Boden aus einfachen Dielen wird auf Polsterhölzer geschraubt, auch das ist eine lange bewährte Konstruktion, die wenig Energieaufwand in der Herstellung braucht, verglichen mit auf Estrich verklebtem Mehrschichtparkett. Bei solchen wenig veränderten Materialien ist eine Überprüfung von Herkunft und Inhaltsstoffen auch ohne komplexe Prüfsiegel zumindest denkbar. Auf Schadstoffe sollte der Lehm schon geprüft sein, und das Holz sollte nachweislich aus nachhaltiger Bewirtschaftung stammen.

Lehm anstelle von Beton für den Einsatz als Estrich auch mit Fußbodenheizung bringt weiteres Potenzial in der Einsparung grauer Energie. Darüber hinaus werden diejenigen, die solche Estriche rückbauen müssen, dankbar sein.

Auch Sockelabdichtungen können ohne Bitumenbahnen und Kunststoffemulsionen funktionieren. Sorgen um den Plastikanteil in Bauprodukten, die vermutlich nicht sortenrein rezykliert werden können, wären damit hinfällig. Andi Breuss zeigt uns auch dafür eine Alternative: Eine dicke Lehmschicht am Sockel, abschüssig ausgeformt, sodass das Wasser rasch abfließen kann.

Und wo bleibt die Energieeinsparung, wenn nur teilweise gedämmt wird?

Wissenschaftlich ist bis jetzt nicht erhoben worden, wieviel Energieverbrauch im Jahresverlauf in solcherart renovierten Häusern tatsächlich anfällt. Durch die große Speichermasse ist die Temperaturkurve jedenfalls flacher, was die Behaglichkeit auch im Sommer ohne Kühlung erhöht. Was wir wissen ist, dass das Verhalten der NutzerInnen äußerst unterschiedlich ist. Und für alle Innenräume gilt, dass zu hohe Temperaturen nicht nur für Holzboden und alte Möbel sondern auch für die Menschen nicht zuträglich sind. Wie der Mediziner Hans-Peter Hutter immer wieder sagt: „Wer jung bleiben will, lebt besser in kühleren Räumen.“

Luftdichtheit ist aber heutzutage auf jeden Fall nötig. Dazu werden im Leichtbau spezielle Folien, Dichtbänder und Dichtanstriche verwendet. Mit Lehm verputzte Holzleichtbauweisen verringern die Fehleranfälligkeit dieser sonst so vielschichtig ausgeführten Konstruktionen. Anschlüsse können mit in Lehmschlämme getränkten Flachsvliesbändern luftdicht ausgeführt werden.

Der Lehm wirkt als Speichermasse und schützt vor sommerlicher Überhitzung und das Holz vor Brand, und auch der Schallschutz verbessert sich mit dem schweren Baustoff Lehm. Obendrein bewirkt der Baustoff angenehmes Klima, nicht nur in den umbauten Räumen, sondern auch global gesehen. Da nimmt man die langen Trocknungszeiten gerne in Kauf.

Andi Breuss Projekte, auch zu sehen auf der Seite des Netzwerk Lehm zeigen, dass Bauen mit Lehm zeitgenössische Architektur im besten Sinne ermöglicht.

Forschungszeitraum

April 2019 –

Kontakt

Transformation eines Lehmhauses im Weinviertel - Planung Andi Breuss
© Astrid Bartl
Mit Lehmschlämme getränktes Flachsvlies als Abdichtung
© Andi Breuss
Lehmestrich mit Polsterhölzern im Dachbodenausbau
© Andi Breuss